Der Code des Luzifer
auf Gedeih und Verderb den sich schnell nähernden Wölfen ausgeliefert gewesen. Ob Fedir Tischenko Max Gordon erwischte, war ihm egal, aber er wollte auf keinen Fall, an einen Toten gekettet, von Wölfen zerrissen werden.
Bis zu den Eispickeln waren es noch fünfzig Meter. Aller guten Dinge sind drei, mit seinem dritten Pfeil würde Tischenko vielleicht mehr Glück haben als mit den beiden ersten.
Max und der Hai sahen die tödlichen Waffen im selben Augenblick. Sie waren mit den gebogenen und vorne gezackten Spitzen in den festen Schnee gerammt; das abgeflachte hintere Teil glänzte im Widerschein der Blitze. Die Eispickel waren gleich lang und hatten einen mit Gummi gepolsterten Griff. Max und der Hai rissen sie fast gleichzeitig aus dem Boden.
Die Wölfe waren achtzig Meter weit weg und teilten sich jetzt in kleinere Gruppen. Diese hochintelligenten und mutigenJäger ließen sich von zwei Jungen mit diesen Waffen nicht abschrecken.
»Nach links!«, rief Max und zerrte an der Kette, sodass sie bis knapp an den Rand des tiefen Abgrunds gerieten.
Tischenko benötigte Gegenwind, um nicht an Fahrt zu verlieren. Eine Thermik, die er ausnutzen konnte, gab es aber nicht, es war eine kalte Nacht mit vielen Turbulenzen. Wer bei Verstand war, befand sich bei diesen Witterungsverhältnissen sowieso nicht am Himmel, aber Tischenko besaß anscheinend eine besonders gute Ausrüstung, vielleicht sogar eine spezielle, für militärische Zwecke hergestellt. Aber egal, dachte Max, denn er hatte schon eine vage Idee, wie er den Mann womöglich aufhalten konnte.
Gewitter und Sturm fielen über die fernen Berge her, aber in diesem Tal war der Wind relativ konstant – deswegen konnte Tischenko auch so zielgenau fliegen. Über dem zerklüfteten Abgrund aber musste es Turbulenzen geben, Scherwinde, die von allen Piloten gefürchtet wurden. Luftstrudel können enorme Strömungsgeschwindigkeiten entwickeln. Nicht einmal Tischenko könnte unter solchen Bedingungen seinen Gleitschirm manövrieren.
Auf dem unebenen Gelände wurden die Wölfe langsamer, und als Max und der Hai zusammen über eine der schmaleren Spalten sprangen, spürte Max den umspringenden Wind. Pulverschnee stäubte hoch und wurde umhergewirbelt.
»Weiter! Über die Spalten springen!«, schrie Max, als er sah, dass ein Rudel Wölfe einen Weg über den Berghang gefunden hatte und jetzt aus einer anderen Richtung auf sie zukam.
Wo war der geflügelte Jäger?
»Sieh nach, wo Tischenko ist!«, schrie er, während er sich, so gut es ging, zu orientieren versuchte.
Der Hai sah nach hinten. Max zog die Kette enger, so straff, wie es ging, und kontrollierte ihren Anlauf. Der Hai sprang mit, ohne hinzusehen.
Tischenko beobachtete die beiden Jungen und fletschte die spitzen Zähne, als der eine zu ihm hochsah. Dieser Max Gordon war cleverer, als er gedacht hatte. Offenbar hatte er erkannt, wo es für den Gleitschirm riskant wurde. Mit den rumpelnden Wolken einige Hundert Meter über ihm und dem scharfen Wind, der aus den Felsspalten hochstieg, konnte Tischenko den großen Schirm nicht präzise steuern. In solchen Luftwirbeln würde der Gleitschirm über ihm zusammenfallen. Dann wäre er derjenige, der verletzt auf dem Gletscher lag, wenn die Wölfe kamen. Schluss mit dem Vergnügen, sagte er sich. Er hatte sich ernsthafteren Dingen zu widmen. Er würde zum Berg zurückkehren und sich darauf vorbereiten, das bevorstehende Gewitter einzufangen und die mächtigsten Energien des Himmels auf die Erde zu holen.
Max Gordon hatte bis jetzt überlebt. Gegen seinen Willen bewunderte er diesen Jungen. Aber die Wölfe würden die Sache erledigen und er bezweifelte, dass Max den stärkeren Hai besiegen konnte.
Tischenko war es egal, welcher der beiden zuerst starb. In ein paar Stunden war sowieso alles vorüber. Er drehte seinen Gleitschirm in den Wind und ließ die todgeweihten Jungen hinter sich zurück.
»Er ist weg!«, rief der Hai.
Die beiden rannten immer noch, aber jetzt schnitten ihnen zwei kleinere Wolfsrudel den Weg ab. In dem Wetterleuchten wechselten Licht und Schatten einander ab. Max war sich nichtsicher, ob das, was er auf dem Eisfeld sah, Wölfe waren oder nicht.
»Halt mal!«, keuchte er.
Wenn sie sich nicht überlegten, wie sie den von allen Seiten sich nähernden Wölfen entkommen konnten, konnte jeder unüberlegte Schritt tödlich sein. Die Tiere jaulten, als kommunizierten sie miteinander. Max mochte Wölfe und hatte sie immer bewundert. Eigentlich
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