Der Code des Luzifer
Stuhl einen so kräftigen Tritt, dass er durch den Raum segelte, wich an die Wand zurück und ging in Abwehrstellung.
»Der Tod ist nur die Brücke zwischen zwei Welten. Schau, was ich dir zu bieten habe«, sagte Tischenko.
Er zog eine Milchglastür auf. Dahinter befand sich ein Schrank, in dem einige Dutzend Röhrchen mit einer bernsteingelben Flüssigkeit gelagert waren.
»Dein Blut wird mit der Erbsubstanz eines der Tiere vermischt, deren DNA wir hier vorrätig haben, und dann tief ins Innere des Kristalls gebracht. Die Wissenschaftler bei CERN glauben, sie können mit ihrem Teilchenbeschleuniger rekonstruieren, was den Bruchteil einer Sekunde nach der Entstehung dieser Welt geschehen ist. Morgen Früh im Morgengrauen wird mein Blitz in meinen eigenen Teilchenbeschleuniger fahren, und der ist besser gebaut als ihrer. Ich werde die Schöpfung neuerschaffen. Aber nicht eine Mikrosekunde hinterher, sondern exakt im Moment ihrer Entstehung. Und Jahre später wird dieser Kristall neues Leben schaffen. Seine Energie wird Mensch und Tier auf eine höhere Stufe heben. Intelligenz und Stärke werden die neue Spezies prägen. Symbiogenese: die Entstehung einer neuen Lebensform durch die Vermischung verschiedener Arten.« Tischenko lächelte. »Ich habe eine neue Arche Noah gebaut.«
»Sie sind verrückt«, sagte Max nur, dem angesichts dieses Wahnsinns die Worte fehlten.
Tischenkos Wahnsinn war umso erschreckender wegen der Macht, die er in der Hand hielt, und der Ressourcen, über die er verfügte. Es würde nichts ändern, wenn das CERN eine Warnung erhalten hätte. Das Forschungszentrum lag auf dem Weg, den die Druckwelle nehmen würde. Sobald Tischenko seine Kraft entfesselt hatte, würde das Kernforschungszentrum und alles, was dahinterlag, in die Luft fliegen.
Tischenko bedachte den Jungen, der in Boxerstellung in seiner Ecke stand, bereit, um sein Leben zu kämpfen, mit einem mitleidigen Blick.
»Du wirst schon tot sein, wenn ich den Sturm entfache, Max. Wenn der losgeht, bist du tot, versprochen.«
Max musste Sayid finden. Und Angelo Farentino hatte ihm einen weiteren Grund geliefert, am Leben zu bleiben – es galt die Wahrheit über den Tod seiner Mutter herauszufinden.
Max war klar, dass er nur dann eine Chance hatte, wenn er Zeit gewann. Niemals aufgeben!
»Sie haben sich die falsche Zeit für Ihre Urknall-Theorie ausgesucht«, sagte er.
»Und warum glaubst du das?«, fragte Tischenko vorsichtig. »Weil ich Zabalas Stein und seine Berechnung der Planetenkonstellationgesehen habe – und danach suchen Sie doch, oder? Also, das alles soll morgen Vormittag um sechsundzwanzig Minuten vor zwölf eintreten.«
»Und du meinst, das glaube ich dir?«
»Sie müssen. Ich habe den Stein gesehen.«
Max war klar, dass er den letzten entscheidenden Bestandteil von Zabalas Vorhersage herausrücken musste, denn ohne die so gewonnenen zusätzlichen Stunden hatte er keine Zeit, sich einen Plan auszudenken.
Tischenko erschauderte unwillkürlich. Endlich: der genaue Zeitpunkt, an dem er seine Ziele verwirklichen konnte.
Er streckte seine faltige Hand aus.
Von da, wo Corentin und Thierry saßen, sahen die fernen Berge gewaltiger aus denn je. Es blitzte jetzt ziemlich regelmäßig und der Donner hallte durch die Täler. Die Gipfel verschwanden hinter Wolken, als das nahende Gewitter in den Bergen festsaß. Sophie hatte sie beide im Krankenhaus noch angefleht, Max zu helfen. Wenn sie es nicht täten, gäbe es eine Katastrophe von verheerendem Ausmaß. Und Max wollte doch seinen Freund retten. Corentin und Thierry würden das einer für den anderen doch auch tun, bettelte sie.
Corentin hatte einen alten Freund angerufen, einen Ex-Legionär, der jetzt beim französischen DGSE arbeitete, dem Auslandsgeheimdienst. Er hatte gesagt, es sei sehr dringend, und dadurch die üblichen bürokratischen Hindernisse überwunden. Die Regierungen waren alarmiert. Jetzt fügten sich die Teile des Puzzles allmählich zusammen. Geheimdienst und die französische Polizei hielten Verbindung, Wissenschaftler erhielten die Anweisung, sich auf ein eventuelles Katastrophenszenario einzustellen, aber solange sich die verschiedenen Stellen nicht einigenund daher keinen Plan aufstellen konnten, mussten Corentin und Thierry sich selber einen ausdenken.
Dicker Schnee wirbelte um das Auto herum. Corentin öffnete den Kofferraum und hievte zwei wuchtige Reisetaschen heraus. Jeder der beiden zog die Ausrüstung hervor, die er brauchte: Seile,
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