Der Code des Luzifer
ein Lichtschein aus dem Berg. Max sah eine riesige Fledermaus flattern, dann herabfallen, dann wieder aufsteigen und geradeaus fliegen. Es war ein Gleitschirm mit schwarzem Segel.
Max stolperte und fiel hin. Der Hai ging mit ihm zu Boden, war aber im Nu wieder auf den Beinen, packte Max vorn an der Jacke und schüttelte ihn in wilder Panik, als er ihn hochzerrte.
»Hoch mit dir, Idiot! Jede Sekunde zählt!«
Max schlug den Arm seines Gegners jäh weg. »Behalt deine Hände bei dir! «
Sie starrten einander mit einer Mischung aus Wut und Panik an, zogen die Kette straff und rannten weiter – die Verzweiflung trieb sie vorwärts.
Ein einzelner Wolfsschrei eröffnete die Jagd – sogleich nahmen die anderen den Ruf auf und trugen ihn weiter. Tischenkos Wölfe waren los.
Die entsetzliche Vorstellung, dass die Tiere schon bald über sie herfallen könnten, verlieh ihren Beinen neue Kraft, und inzwischen hatte Max mitbekommen, dass der Hai ganz gut in Form war. Er hatte ihn aus dem Schnee hochgehoben, ohne sich groß anzustrengen. Wie konnte er einen so starken Gegner schlagen?
Ihr keuchender Atem ging gleichmäßig, unter ihren Schritten knirschte der Schnee fast im selben Takt, trotz ihres schnellen Tempos blieb keiner hinter dem anderen zurück. Unter den Tränen, die ihnen die kalte Luft in die Augen trieb, sahen sie die weitere Umgebung nur verschwommen, aber Max’ Instinkte arbeiteten auf vollen Touren. Das Blut hämmerte ihm in den Ohren, doch er registrierte jede Richtungsänderung des Sturms, jeden aus den Wolken hervorbrechenden Blitz, der das felsige Gestein am unebenen Boden beleuchtete.
Und er hörte Stoff im Wind knattern. Als er noch einmal einen Blick nach hinten warf, konnte er kaum glauben, was er sah. Der geflügelte Jäger schwebte keine fünfzig Meter hinter ihnen. Tischenko trug eine Maske aus Wolfsfell. Ein Blitztauchte ihn in grelles Licht und ließ den Pfeil aufblinken, den er in seinem Bogen bis zum Anschlag gespannt hatte.
Max grub die Fersen in den Boden, zerrte mit beiden Händen an der Kette und riss den Hai in den Schnee. Der Junge ächzte vor Überraschung und Schreck und sah Max vernichtend an.
In diesem Augenblick aber schlug der Pfeil genau an der Stelle in den Boden, die der Hai zwei Schritte später erreicht hätte. Max wusste, bei einem beweglichen Ziel peilte jeder Jäger eine Stelle vor diesem an, und seine Reaktion hatte dem Hai das Leben gerettet.
Der Hai wusste das auch. Er nickte. Im Nu waren beide Jungen wieder auf den Beinen, rannten mit voller Geschwindigkeit weiter und schlugen Haken, damit sie als Ziel nicht so leicht auszumachen waren. Tischenko musste den Gleitschirm stabilisieren, sich selbst wieder in Position bringen, bevor er noch einen Pfeil abschoss. Je länger die Jungen aber im Zickzack rannten, desto größer wurde die Strecke, die sie überwinden mussten. Und desto näher kam das ihnen nachsetzende Wolfsrudel.
Max konzentrierte sich auf den Weg, hörte aber an den Windgeräuschen im Segel des Gleitschirms, wenn Tischenko seinen Kurs änderte. Das Flattern des Schirms im Wind verriet Tischenkos Position. Sie befanden sich über einem ebenen Schneefeld. Die Blitze zerrissen die niedrig hängenden Wolken und ließen jetzt die etwa einen halben Kilometer entfernte, stärker zerklüftete Landschaft erkennen. Schmutzige Schnee- und Eisklumpen, Risse und scharfkantige Formen – der Rand des Gletschers. Gefährliches, instabiles Terrain. Zweihundert Meter rechts davon flatterte ein Fähnchen. Dort mussten die Eispickel liegen.
Mit seinem Überhang verdeckte der Berg das weiter linksgelegene Tal, in das viele Blitze niedergingen. Sie tanzten und zuckten durch das eng umgrenzte Gebiet, und Max erblickte zwei Türme, deren Spitzen die Blitze besonders anzogen. Aber er hatte keine Zeit zu überlegen, was das für Türme sein mochten, denn Tischenko hatte wieder seinen Kurs geändert und war schon im Anflug, um den nächsten Pfeil abzuschießen.
Diesmal leuchtete ihm kein Blitz und Max konnte nur die Ohren spitzen. Aber er hörte den Pfeil nicht kommen. Ohne Vorwarnung sauste er aus dem Dunkel heran und zischte mit tödlichem Wispern an seinem Gesicht vorbei. Ein paar Zentimeter näher und er hätte sich ihm von oben durch den Hals in die Brust gebohrt.
Dem Hai war die panische Angst genauso anzumerken wie Max. Der Pfeil war zwischen ihnen niedergegangen. Nicht schlecht, dass Max beinahe getötet worden wäre, aber wäre er zu Boden gesunken, wäre der Hai
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