Der Code des Luzifer
ein wenig zu plötzlich, fand er, aber vielleicht bildete er sich das auch nur ein.
»Ich finde, wir sollten keinem etwas davon sagen.« Das überraschte ihn.
»Warum denn nicht?«, fragte er.
»Es wäre nicht das erste Mal, dass Bruder Zabala ein Haus verwüstet hat.«
»Du meinst, er hat das hier selbst getan?«
»Möglich. Er ist jähzornig, und er trinkt ziemlich viel. Die Leute in der Gegend halten ihn für verrückt. Niemand kommt hierher, Max, höchstens aus Versehen. Wenn wir die Polizei benachrichtigen, könnte das schlecht für ihn ausgehen. Das möchte ich nicht.«
Das kam Max gut zupass. Solange er den Mund hielt, würde niemand etwas über den verschwundenen Mönch erfahren. Das gab ihm die Zeit, die er brauchte, um die geheimnisvolle Abtei zu finden. Je weniger er Sophie erzählte, desto besser. Sollte sie ruhig denken, dass Zabala hier betrunken gewütet hatte. Auf keinen Fall würde er sie darauf hinweisen, dass es sich bei den dunklen Flecken an der Wand um Blut handelte.
»Du meinst nicht, dass das etwas mit den Gangstern zu tun hat, die dich neulich abends verfolgt haben? Du hast mir erzählt, diese Leute würden dafür bezahlt, dich aufzuhalten. Vielleicht haben sie ja auch versucht, Zabala aufzuhalten«, sagte Max, um ihr auf den Zahn zu fühlen.
Sie dachte darüber nach und schüttelte den Kopf. »Ihn anzugreifen, wäre sinnlos. Wir sind es, die Tiere retten und wieder aussetzen. Zabala ist ein harmloser Einsiedler, er hat nichts mit ihnen zu schaffen. Nein. Manchmal denke ich, der arme Mannkann die Einsamkeit hier oben einfach nicht ertragen. Lassen wir alles, wie es ist. Er kommt bestimmt bald zurück.«
Bruder Zabala kommt nie mehr zurück, hätte Max ihr am liebsten gesagt.
Sie machten sich auf den Weg bergab. Sophie lief voran, bewegte sich geschickt und mit gut durchdachten Sprüngen über das unebene Gelände. Nie geriet sie ins Stocken, wenn sie die Richtung wechselte. Max zurrte seinen Rucksack fester, um nicht durch irgendeine hektische Bewegung aus dem Gleichgewicht zu geraten. Das sportliche Mädchen war die geborene Parkour -Läuferin – wie eine Akrobatin sprang sie mit fließenden Bewegungen von Stein zu Stein. Max war entschlossen, mit ihr mitzuhalten, aber wenn er sich die tückischen Hänge so ansah, war ihm klar, dass er einen einfacheren Weg gewählt hätte, einen, bei dem die Wahrscheinlichkeit, sich bei einem Sturz zu verletzen, kleiner gewesen wäre. Aber auf einen Wettlauf mit ihr würde er es nicht ankommen lassen. Erst denken, dann handeln. Er folgte ihr keuchend, hörte aber zu seiner Erleichterung, dass sie genauso außer Atem war wie er selbst.
Sophie wusste nicht so recht, was sie von Max halten sollte. Er war ein Junge, der ein Geheimnis mit ins Grab nahm, und er wusste mit Sicherheit irgendetwas über Zabala. Als sie die Bücher aufgehoben hatte, war ihr ein Bilderrahmen mit einer blutverschmierten Glasscherbe aufgefallen, und das Bild darin hatte gefehlt. Sie war überzeugt, dass Max es herausgenommen hatte. Was mochte er sonst noch mitgenommen haben? Als sie zu Zabalas Hütte gekommen war, hatte sie unter dem verknoteten Tuch um Max’ Hals etwas aufblitzen sehen. Vielleicht ein Anhänger, aber genau konnte sie das nicht sagen. Fest stand nur eins: An dem Abend im Café hatte er das Ding nicht getragen.
Ein Hund bellte. Kühe stoben auseinander und beruhigten sich wieder. Ein alter baskischer Bauer, der in den letzten Sonnenstrahlen vor sich hin döste, hob den Kopf und sah sich um. Aus seinen müden Augen sah er einen Jungen, der den Berghang herunterrannte, als sei Inguma, der böse Herr der Albträume, hinter ihm her. Die Jugend von heute hatte nur Spott für diese Legenden übrig, dachte der alte Mann, aber wenn dieser Herr der Finsternis einen holen wollte, hatte man keine Chance. Der Junge rannte, als habe Inguma ihn schon beim Schlafittchen gepackt.
Die umliegenden Täler und Berge waren ziemlich nah am Atlantik, und die Schneewolken, die Max von dort hatte herankommen sehen, hüllten bereits die Gipfel ein. Hier aber regnete es nur leicht, als Sophie Max zu der schmalen Straße führte, die sich ins Tal hinabwand. Hinter einer Hecke, unter einem Baum versteckt, stand ein kleines Auto, das von der menschenleeren Straße aus kaum zu sehen war. Beide hatten kein Wort gesprochen, seit sie ihren wilden Lauf den Berg hinunter gestartet hatten, und mussten erst einmal zu Atem kommen. Max gingen tausend Fragen durch den Kopf. Lebte sie wirklich
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