Der Code des Luzifer
entsprachen.
Für einhundert Milliarden Dollar kann man sich eine Menge Einfluss und ein weitestgehend geschütztes Privatleben kaufen. Doch war ihm stets bewusst, dass trotz all seiner Sorgfalt irgendeine unvorhergesehene Kleinigkeit alles über den Haufen werfen konnte. Wie bei einem Formel-1-Fahrer, dem bei Tempo dreihundert eine Wespe unter den Helm gerät oder bei einemhochempfindlichen Präzisionswerkzeug, das schon von einem einzigen Staubkorn entscheidend gestört werden kann.
Tief unter der Erde fuhr er an riesigen Maschinen entlang, die aussahen wie Motoren von Düsenflugzeugen, nur hundertmal größer: ein gewaltiges rundes Metallgehäuse, höher als ein sechsstöckiges Gebäude, gehalten von Stahlrahmen, die im Felsgestein verankert waren. Nur, dass in diesem Gehäuse keine Turbinen rotierten, sondern Konduktoren, einander überlappende Platten aus hochpoliertem Titan, Zylinderspulen, die die Energiemassen übertrugen, die er bald nutzbar machen würde.
Energiekrise? In seinem runzligen Gesicht tat sich eine Lücke auf – ein Lächeln.
Die Welt wusste gar nicht, was diese Wörter bedeuteten: Energie, Krise. Wenn er seine Pläne verwirklichte, würden sich solche Probleme dagegen nur noch wie lächerliche Lappalien ausnehmen.
Als er jetzt auf dem elektrischen Golfwagen durch die riesigen, kathedralengroßen Hallen unter den Bergen fuhr, bekam er eine Gänsehaut. Jedoch nicht, weil es kalt war. Ein ausgeklügeltes Heizungssystem hielt die Temperatur auch hier, hundert Meter unter der Erdoberfläche, angenehm warm. Nein, weil diese unerwartete Komplikation eingetreten war.
Dieser Mönch, Zabala, hatte über zwanzig Jahre lang nach Hinweisen auf ein herannahendes, die Welt erschütterndes Ereignis gesucht. Offenbar war es ihm dabei um Tag und Stunde gegangen, um den genauen Zeitpunkt, an dem die Katastrophe stattfinden sollte. Und für diese Information hatte Tischenko Zabalas bestem Freund ein kleines Vermögen gezahlt. Da es dem Mann aber nicht gelungen war, Zabala sein Geheimnis zu entlocken, hatte Tischenko ihn bestraft – die Leiche würde niemals gefunden werden. Immerhin hatte der Mann Tischenkoden Tag angeben können, an dem er der Menschheit seine furchtbare, zerstörerische Offenbarung beibringen konnte. Das Wort gefiel ihm. Offenbarung. Ja, das würde ein ganz außerordentlicher Augenblick sein.
Tischenkos Wissenschaftler beobachteten fortwährend die mächtigen Wetterfronten über dem Atlantik und bestätigten, dass der Tag, für den der Sturm erwartet wurde, exakt mit Zabalas Prophezeiung übereinstimmte. Eins machte ihm trotzdem immer noch Sorgen. Er wollte seine Katastrophe unbedingt auf die Sekunde genau zum richtigen Zeitpunkt entfesseln, um einen optimalen Erfolg zu erzielen. Absolute Macht verlangte absolutes Wissen.
Aberglaube nagte an seiner Logik wie ein Kind, das sich immer wieder eine Wunde aufkratzt. Vielleicht hatte der Mönch etwas besessen, das Tischenko fehlte – so etwas wie einen sechsten Sinn. Zabala hatte nicht nur Wissenschaft und Mathematik betrieben, sondern auch gebetet und meditiert. Er war einem dieser alten Meister ähnlich gewesen, die sich mit dem Universum verbunden fühlten und die Dinge auf überbewusster Ebene verstanden. Zabala hatte die Schöpfung durchschaut.
Und er hatte seine mystische Prophezeiung mit Tatsachen untermauert. Andere Wissenschaftler hätten Zabala wahrscheinlich immer noch ausgelacht, wenn er noch leben würde. Was aber, wenn sie das nicht getan hätten? Der Klimawandel machte den Forschern solche Sorgen, dass sie Informationen tauschten wie Kinder, die Fußballkarten sammeln. Nicht auszuschließen, dass sie doch noch dahinterkamen, was Tischenko vorhatte.
Fedir, denk daran, wer du bist, denk daran, weshalb du diesen Namen trägst – ein Geschenk Gottes.
Die Worte seiner Mutter beschwichtigten seine Zweifel.
Wie war dieser Max Gordon da hineingeraten? Tischenkos Leute überwachten seit Monaten alle möglichen Kommunikationswege und hörten jeden ab, der auch nur entfernt eine Bedrohung darstellte. Diese gesetzwidrige Bespitzelung von Umweltgruppen, Polizeibehörden, Wissenschaftlern und Ministerien hatte keinen Grund zur Besorgnis geliefert. Nichts bedrohte Tischenkos Pläne, da niemand von ihnen wusste – außer Zabala.
Nur ein lästiger Umweltaktivist, Tom Gordon, war kontaktiert worden. Zurzeit befand er sich in einem Sanatorium in England, aber sein Sohn hielt sich genau in dem Gebiet auf, in dem Zabala gelebt
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