Der Code des Luzifer
mal: Wer ist der einzige Mensch, der weiß, wo wir uns aufhalten?«
»Das mit dem Château hat sie nicht gewusst«, flüsterte Max wütend.
»Das kannst du nicht sicher wissen! Genauso wenig, wie du wissen kannst, ob dieser Kerl sie wirklich verfolgt hat. Das hat sie zwar behauptet, aber was beweist das schon? Würde mich nicht wundern, wenn der Kerl und sein Kumpel hier gleich aufkreuzten.«
Max fühlte sich hin- und hergerissen. Das war keine Frage der Vorgehensweise, wie im Fall, als der Deutsche und seine Schlägertruppe sie angegriffen hatten. Da hatten sein Körper und sein Verstand unmittelbar reagiert. Jetzt war es viel schlimmer, denn jetzt kämpften sein Herz und sein Verstand miteinander. Sie lebten bei Leuten, die sie mochten und sich um sie kümmerten. Wer von ihnen wusste, wo sie gewesen waren? Wer hatte sie verraten? Bobby konnte es nicht gewesen sein. Der hätte keine Gewalt im Haus seiner Großmutter geduldet. Aber wo steckte er nur? Mit dem Handy, das er ihnen gegeben hatte, konnte Max ihn nicht erreichen. Lag es daran, dass der Empfang hier in der Gegend schlecht war, oder meldete Bobby sich absichtlich nicht? Und Sophie? Max schüttelte den Kopf. Ein solches Misstrauen wollte er keinem hier im Haus entgegenbringen.
»Tut mir leid. Aber die Sache ist jetzt wirklich ernst und ichhabe kein Problem damit, zuzugeben, dass ich Angst habe«, sagte Sayid, als ob er sich rechtfertigen müsste.
Daran kam Max nicht vorbei. »Nimm noch ein Stück Kuchen. Das bringt dich auf andere Gedanken.«
»Ich mach keine Witze, Max! «
»Ich weiß«, sagte er ernst.
Max war sich im Klaren darüber, dass Sayid sich bis hierhin unglaublich tapfer verhalten hatte. Sein Freund hatte seine Angst verdrängt, um ihm zu helfen. Möglich, dass Sayid das Abenteuer reizte, aber die hautnah erlebte Gefahr hatte ihm sichtlich zugesetzt. Max hatte nicht zum ersten Mal Gewalt erlebt – aber das änderte nichts daran, dass auch er Angst hatte. Der Unterschied zwischen ihnen war, dass Max diese Sache zu Ende bringen musste. Genau wie sein Dad es getan hätte.
Als Max durch die Küche ging, hörte er Stimmen und Lachen aus dem tragbaren Fernseher, den die Komtess ständig laufen zu haben schien. Die alte Dame saß an einem großen Holztisch. Eine Zigarette glomm zwischen ihren Lippen, der Rauch strich an ihren halb geschlossenen Augen vorbei, vor ihr stand ein großes Glas billigen Rotweins neben der halb geleerten Flasche.
Während sie Gemüse in kleine Würfel schnitt und vor sich aufstapelte, erzählte ihr Max mit knappen Worten von dem unbekannten Feind, der ihm am Château aufgelauert hatte. Sie hörte zu und fuhrwerkte dabei weiter mit ihrem großen Messer herum. Max staunte, dass sie sich nicht in die Finger schnitt. Schließlich blickte sie auf.
»Ich mache Suppe, und bevor du mich fragst: Ich habe Sophie nicht gesagt, wo du hinfährst«, sagte sie.
»Woher wussten Sie, dass ich das fragen wollte?«
»Das liegt doch auf der Hand, mon cher . Wer wusste davon?Ich, Robert und Sayid. Wer von uns dreien könnte dich verraten haben?«
»Was glauben Sie, wo Bobby steckt, Komtess?«
Sie nickte. »Eine vernünftige Frage. Er muss dir als Erster verdächtig erscheinen.«
»Nein, ich mache mir Sorgen um ihn. Er geht nicht an sein Telefon, und das Handy, das er uns gegeben hat, ist tot. Falls er uns anrufen wollte, warum hat er es dann nicht hier versucht? Er hatte versprochen, uns von d’Abbadies Château wieder abzuholen.«
Asche fiel von der Zigarette. Sie blies sie von dem Gemüse weg und drückte den Stummel in einem Stück Kartoffelschale aus. »Robert ist ein Kind der See und der Berge. Er reist mit dem Wind.«
»Er würde uns weder im Stich lassen noch verraten, Komtess, da bin ich mir ganz sicher.«
Sie unterbrach ihre Arbeit und zeigte mit dem Messer auf den Stuhl neben sich. Max nahm gehorsam Platz. Sie trank einen Schluck Wein und stellte mit der Fernbedienung den Ton des Fernsehers aus.
»Ich will dir von meinem Enkel erzählen. Er hat ständig Angst zu versagen. Sein Vater erwartet große Dinge von ihm. Er hat Angst vor seinem Vater. Er versteckt sich hinter seinem Sport. Vielleicht meint er, du bist in etwas hineingeraten, das eine Nummer zu groß für ihn ist.«
Sie sah Max an, der ihr aufmerksam zugehört hatte. Er fühlte mit dem älteren Jungen, der praktisch ganz allein war auf der Welt. Das konnte er nachvollziehen. Sie nahm seine Hand.
»Es ist nicht das erste Mal, dass er weggelaufen ist. Und
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