Der Code des Luzifer
mich in Biarritz gefunden, und ich weiß nicht, wie sie das geschafft haben. Und jetzt hat Sayid mir erzählt, was in dem Château passiert ist.«
Max geriet leicht in Panik. Was hatte er ihr sonst noch erzählt?
»War denn da gar nichts? Überhaupt keine Hinweise?«, fragte sie.
Sayid machte ein unschuldiges Gesicht, schob sich ein Stück Brot in den Mund und sah Max an. Der war erleichtert. Sayid hatte nichts wirklich Wichtiges erzählt, nur, dass sie angegriffen worden waren.
»Nein, da war nichts. Ich glaube, wir sind total auf dem Holzweg. Sayid und ich fahren nach England zurück.«
»Toll!«, sagte Sayid ein wenig zu begeistert. Er hatte die Nase voll von Abenteuern. Und England war eine sichere Zuflucht vor allen Verrückten dieser Welt.
Sophie reagierte nicht darauf. Insgeheim hatte Max gehofft, sie würde etwas dagegen einwenden. Daraus hätte er dann schließen können, wie sehr und ob sie überhaupt in dieses ganze Chaos verwickelt war.
»Ich kann für euch am Flughafen anrufen«, sagte sie.
»Nein. Das kann die Komtess machen«, entgegnete Max etwas überhastet. Ihre Motive waren ihm immer noch ein Rätsel. Aber sein instinktiver Überlebenswille war stärker als alle anderen Gefühle.
Bevor Sophie darauf antworten konnte, kam die Komtess ins Zimmer geschlurft. Sie schwenkte ein Küchenmesser, rief »Anmachen! Anmachen!« und zeigte auf den Fernseher.
Sayid saß am nächsten dran.
Gleich darauf füllte Max’ Gesicht den Bildschirm.
Keiner sagte etwas. Der französische Nachrichtensender zeigte ein Bild von Zabala und das Foto aus Max’ Reisepass. Dazwischen kamen Aufnahmen aus dem Lawinengebiet hinter Mont la Croix; ein Toter wurde auf einer Trage abtransportiert, und dann wurde Zabalas Berghütte gezeigt. Der Nachrichtensprecher sprach sehr schnell, aber deutlich genug.
Bruder Zabala, ein baskischer Mönch, war tot unter einer kürzlich abgegangenen Lawine aufgefunden worden. Die Obduktion hatte ergeben, dass er, bevor die Lawine ihn mitgerissen hatte, erschossen worden war. Des Weiteren wies die Leiche eine Stichwunde auf. Max Gordon, ein junger Engländer – wieder wurde Max’ Passbild gezeigt –, schien am Tod des Mönchs nicht unbeteiligt gewesen zu sein. Wie bei allen ausländischen Touristen in französischen Unterkünften war sein Pass fotokopiertworden. Etwa zwei Wochen vor dem Tod des Mönchs hatten Zeugen den Jungen gesehen, als er in der Nähe der Hütte des Einsiedlers durch die Berge gewandert war. Im Krankenhaus von Pau hatte der Junge den Aufenthaltsort von Zabala erfahren, und wenig später hatte ein Bauer beobachtet, wie er von der Einsiedelei auf dem Montagne Noire weggelaufen war. In der Hand des Toten hatte man diese Uhr gefunden – eine Nahaufnahme von Max’ Armbanduhr war jetzt zu sehen. Die Gravur auf der Rückseite identifizierte eindeutig ihren Besitzer: Max Gordon. Weitere Ermittlungen in der Berghütte ergaben – man sah Polizisten, die Kisten mit Material aus Zabalas Hütte trugen, Kriminalbeamte von der Spurensicherung, Spürhunde –, dass Blutspuren in der Hütte von dem Toten stammten. Und eine DNA-Analyse von Hautpartikeln unter den Fingernägeln des Toten und weiteren Blutspuren in der Hütte, die beide dem jungen Engländer zugeordnet werden konnten, lieferte den Beweis, dass es zwischen den beiden einen Kampf gegeben haben musste.
Ein Motiv für die Ermordung des Mönchs sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu erkennen, fuhr der Sprecher fort, aber die Polizei fahnde nach dem Jungen, weil er die Ermittlungen entscheidend voranbringen könnte. Gordon, 1,75 Meter groß, athletische Gestalt, blonde, unordentlich geschnittene Haare, blaugraue Augen, Gewicht etwa sechzig Kilogramm, werde als gefährlich eingestuft. Zeugen sollten sich bei der Polizei melden, aber nicht selbst eingreifen.
Dann erschien ein Reporter namens Laurent Messier auf dem Bildschirm. Hinter ihm erkannte Max das Krankenhaus in Pau.
»Ich stehe hier vor dem Krankenhaus in Pau, wo Max Gordon nach dem Lawinenunglück in Mont la Croix eingeliefertund von dem Neurologen Dr. Fabian Vagnier untersucht wurde.«
Der Reporter richtete sein Mikrofon auf den Arzt, der mit angemessen ernster Miene neben ihm stand. In seinem Streben nach Anerkennung verbog er die Wahrheit, sprach jedoch so schnell, dass Max kaum etwas verstand. Erst als der Reporter zusammenfassend einiges davon wiederholte, trat besonders ein Satzfetzen deutlich hervor: assassin et un sociopath. Mörder und Psychopath.
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