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Der Codex

Titel: Der Codex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston
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Marisol lächelnd. »Würde mir nicht gefallen, wenn Sie in die Hölle kämen.«
    »Tja«, sagte Tom in die unbehagliche Stille hinein. »Marisol, ich würde gern wissen, ob es außer Don Alfonso noch jemanden im Dorf gibt, der den Weg durch den Meambar-Sumpf kennt.«
    Marisol schüttelte ernst den Kopf. »Er ist der Einzige.«
    »Ist der Sumpf schwierig zu durchqueren?«
    »Und wie.«
    »Warum ist er so sehr darauf aus, uns zu führen?«
    Marisol schüttelte nur den Kopf. »Das weiß ich nicht. Er hat Träume und Visionen, und davon hat er auch g e träumt.«
    »Er hat wirklich geträumt, dass wir kommen?«
    »Aber ja. Als der erste Weiße kam, hat er gesagt, bald kämen auch seine Söhne. Und jetzt sind Sie da.«
    »Vielleicht hat er's ja nur vermutet und einen Glückstre f fer gelandet«, sagte Tom auf Englisch.
    In der Ferne fiel ein Schuss und warf sein Echo durch den Urwald. Dann noch einer. Er rollte wie Donner, da der Dschungel ihn auf eigenartige Weise verzerrte. Es dauerte lange, bis das Echo verhallte. Die Auswirkungen des G e räusches auf Marisol waren schrecklich. Sie wurde bleich, zitterte und wankte. Aber sie sagte nichts und rührte sich nicht von der Stelle. Tom empfand Bestürzung. War j e mand erschossen worden?
    »Die erschießen doch da niemanden?«, fragte er.
    »Ich weiß nicht.«
    Tom sah, dass Marisols Augen sich mit Tränen füllten. Doch sie verriet kein Gefühl.
    Sally tastete nach Toms Hand. »Vielleicht erschießen sie jemanden, weil sie uns nicht finden können. Vielleicht sol l ten wir uns stellen.«
    »Nein«, sagte Marisol jäh. »Vielleicht schießen sie nur in die Luft. Wir können jetzt nur abwarten.« Eine einzelne Träne lief ihr über die Wange.
    »Wir hätten nie hier anhalten sollen«, sagte Sally und wechselte wieder ins Englische. »Wir haben kein Recht, diese Leute in Gefahr zu bringen. Tom, wir müssen ins Dorf zurück und uns den Soldaten stellen.«
    »Sie haben Recht.« Tom wandte sich zum Gehen.
    »Wenn Sie zurückkehren, werden sie uns erschießen«, sagte Marisol. »Gegen die Soldaten sind wir machtlos.«
    »Damit kommen sie nicht ungestraft durch«, sagte Sally mit bebender Stimme. »Ich melde es der amerikanischen Botschaft. Die Soldaten werden ihrer Strafe nicht entg e gen.«
    Marisol schwieg. Sie stand nun wieder still da, wie ein Reh, und zitterte kaum merklich. Aber sie weinte nicht mehr.

21
     
    Lewis Skiba blieb allein in seinem Büro zurück. Es war zwar noch früh am Nachmittag, aber er hatte alle nach Hause geschickt, damit sie der Presse nicht in die Hände liefen. Er hatte das Bürotelefon ausgestöpselt und die be i den Außentüren zugemacht. Während die Firma sich rings um ihn auflöste, war er in einen Kokon des Schweigens g e hüllt, verpackt in das goldene Leuchten der Marke Eige n bau.
    Die Securities and Exchange Commission hatte nicht einmal bis zum Börsenschluss gewartet, um bekannt zu geben, dass sie die Ermittlungen hinsichtlich der Unregelmäßigke i ten in der Buchhaltung von Lampe-Denison Pharmace u ticals aufgenommen hatte. Die Bekanntmachung hatte sich wie ein Paukenschlag auf die Aktie ausgewirkt. Nun stand Lampe bei sieben ein Viertel und fiel weiter. Das Unte r nehmen war wie ein im Sterben liegender Wal - gelähmt, sich suhlend, von einem ekstatischen, geistlosen Schwarm von Haien umgeben: Leerverkäufern, die ihn stückweise zerfetzten. Es war ein primitiver darwinistischer Fres s rausch. Und jeder Dollar, den sie aus dem Aktienpreis he r ausbissen, riss ein Hundert-Millionen-Dollar-Loch in La m pes Marktkapitel. Skiba war hilflos.
    Die Firmenanwälte hatten ihre Pflicht getan. Sie hatten die übliche Meldung herausgegeben, dass die Behauptungen »haltlos« seien und Lampe bereitwillig kooperieren würde, um seinen Namen sauber zu halten. Graff, der Finanzchef, hatte seine Rolle gespielt und verlautbaren lassen, Lampe sei gewissenhaft den allgemein akzeptierten Buchhaltung s prinzipien gefolgt. Lampes Buchprüfer hatten Entsetzen und Abscheu ausgedrückt und erklärt, sie hätten sich auf Lampes Finanzverlautbarungen und Bekenntnisse verla s sen. Falls es irgendwelche Unregelmäßigkeiten gäbe, seien sie ebenso gründlich getäuscht worden wie alle anderen auch. Jede Börsenschwafelei, die Skiba von anderen schr ä gen Firmen und ihren Legionen von Bevollmächtigten kannte, war aufs Tapet gekommen. Alles klang so gestelzt und vorprogrammiert wie ein japanisches Kabuki-Drama. Außer ihm hatten sich alle ans Drehbuch gehalten.

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