Der Codex
jagten Hühner. Als sich schließlich das gesamte Dorf versammelt zu haben schien, schritt Don Alfonso durch die Menge, die ihm Platz machte. Er trug nagelneue Shorts und ein T-Shirt, auf dem »Keine Angst« stand. Als er sich zu Tom und Sally auf den Bambuskai gesellte, verzog er das Gesicht zu einem Lächeln.
»Alle sind gekommen, um uns eine gute Reise zu wünschen«, sagte er zu Tom. »Da sehen Sie mal, wie beliebt ich in Pito Solo bin. Ich bin ein ganz besonderer Don Alfonso Boswas. Jetzt haben Sie den Beweis, dass Sie den richtigen Mann ausgewählt haben, um Sie durch den Meambar-Sumpf zu führen.«
In der Nähe wurden ein paar Feuerwerkskörper gezündet. Die Menschen lachten vergnügt. Die Frauen verteilten das Essen. Don Alfonso nahm Tom und Sally an der Hand.
»Wir steigen jetzt ins Boot.«
Chori und Pingo, noch immer bis zur Taille nackt, hatten ihre Plätze schon eingenommen; der eine am Bug, der a n dere am Heck. Sie hielten die Leinen und waren zum Abl e gen bereit. Dann stieg auch Don Alfonso ein. Als er das Gleichgewicht gefunden hatte, drehte er sich um und wandte sich an die Menge. Schweigen senkte sich über die Versammlung: Don Alfonso wollte eine Rede halten. Als absolute Stille eingekehrt war, fing er an. Er sprach in e i nem amtlich klingenden Spanisch.
»Meine Freunde und Landsleute, vor vielen Jahren wurde uns prophezeit, dass weiße Menschen kommen und ich sie auf eine lange Reise begleite. Jetzt sind sie hier. Wir brechen nun zu einer gefährlichen Fahrt durch die Meambar-Sümpfe auf. Wir werden Abenteuer erleben und viele sel t same und wunderbare Dinge schauen, die noch kein Mensch zuvor gesehen hat.
Ihr fragt euch vielleicht, warum ich diese großartige Reise mache. Ich will es euch erzählen. Dieser Amerikaner ist zu uns gekommen, um seinen Vater zu retten, der den Verstand verloren und seine Gattin und seine Familie ve r lassen hat. Er hat auch all seine Besitztümer mitgenommen, sodass seine Familie in Armut leben muss. Seine arme Frau hat jeden Tag bittere Tränen um ihn geweint, da sie ihre Familie nicht mehr ernähren und vor wilden Tieren b e schützen kann. Ihr Haus stürzt ein, das Reet ist verfault, und es regnet durchs Dach. Niemand will die Schwestern dieses Amerikaners heiraten, deswegen werden sie sich bald der Hurerei hingeben müssen. Seine Neffen sind dem Alkohol verfallen. Dieser junge Mann,
sein Sohn, ist gekommen, um ihn von seinem Wahnsinn zu heilen und nach Amerika zurückzubringen, wo er ein h o hes Alter erreichen und in seiner Hängematte sterben kann, ohne seiner Familie weiterhin Ehrlosigkeit und Hunger zu bescheren. Dann werden seine Schwestern Ehemänner fi n den und seine Neffen und Nichten sich um seine Milpas kümmern, und dann kann er an heißen Nachmittagen D o mino spielen und braucht nicht mehr zu arbeiten.«
Die Dorfbewohner waren von seiner Rede wie vom Donner gerührt. Tom fand, dass Don Alfonso in der Tat ein begnadeter Redner war.
»Vor langer Zeit, meine Freunde, hatte ich den Traum, dass ich euch auf diese Weise verlasse, dass ich eine große Reise ans Ende der Welt mache. Ich bin jetzt hundertei n undzwanzig Jahre alt, und endlich ist mein Traum wahr geworden. Nicht viele Menschen können in meinem Alter eine solche Reise unternehmen. In meinen Adern ist noch viel Blut, und würde meine Rosita noch leben, hätte sie j e den Tag Grund zum Lächeln.
Auf Wiedersehen, meine Freunde, euer geliebter Don Alfonso Boswas verlässt das Dorf mit Tränen der Trauer in den Augen. Vergesst mich nicht und erzählt meine G e schichte euren Kindern, die sie auch den ihren erzählen so l len, bis zum Ende aller Zeiten.«
Lauter Jubel erklang. Feuerwerkskörper knallten, und sämtliche Hunde fingen an zu bellen. Einige alte Männer schlugen in einem verzwickten Rhythmus Stöcke aneina n der. Das Boot wurde in die Strömung hinausgeschoben. Der Bug schnitt durchs Wasser. Don Alfonso blieb stehen. Er winkte der wild jubelnden Menge und warf ihr Kus s händchen zu, bis das Boot die nächste Flussbiegung übe r wunden hatte.
»Ich hab das Gefühl, als wären wir gerade mit dem Za u berer von Oz mit einem Ballon gestartet«, sagte Sally.
Don Alfonso nahm endlich Platz. Er wischte sich die Tränen aus den Augen. »Da seht ihr mal, wie sie ihren Don Alfonso Boswas lieben.« Er machte es sich auf dem Vorrat s stapel bequem, zückte seine Maiskolbenpfeife, stopfte sie mit Tabak und fing mit einem nachdenklichen G e sichtsausdruck an zu paffen.
»Sind Sie
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