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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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hörten wir seine Stimme, ohne zu verstehen, was er sagte.
    Als er zurückkam, war sein Gesicht leicht gerötet. Er setzte sich, schluckte und sagte mit belegter Stimme: »Schleicher ist Reichskanzler, Strasser Arbeitsminister, Göring Reichsinnenminister. Hindenburg hat die Regierung durch eine Notverordnung zu außergewöhnlichen Maßnahmen ermächtigt, die Reichswehr hat die vollziehende Gewalt übernommen. Der Reichstag ist aufgelöst.«
    »Das ist der Rechtsputsch«, sagte Berg. »Und deine Pgs sind dabei.«
    »Ich muss mit meinen Kameraden reden«, sagte der SA-Mann.
    »Bitte«, erwiderte Berg. Es klang, als wüsste er, was herauskommen würde bei der Beratung. Als der SA-Mann gegangen war, schaute Berg mich scharf an.
    »Hast du begriffen, was passieren wird?«
    »Ich glaube, ja.«
    »Das bezweifle ich. In Deutschland bilden sich zwei Lager heraus. Die einen suchen ihr Heil in einer Rechtsdiktatur, gestützt auf die Reichswehr. Die anderen wollen den Versailler Bastard zerschlagen. Seit Hitler tot ist, kommen immer mehr Nazis zu uns. Wir sind die Revolutionäre, wir werden Versailles und die bürgerliche Gesellschaft zerschlagen, in Deutschland ist das eine Soße.« Er hatte sich in Wut geredet. Ich verstand ihn, diese Republik verkörperte unsere Niederlage, die Demütigung unseres Volks. Ich empfand sie wie Berg, aber sie hatte mich weder zum Kommunisten gemacht noch zum Nazi.
    »Machst du mit?«
    »Nein«, sagte ich. »Ich mach bei euch nicht mit, bei den anderen auch nicht. Ich bin Kriminalbeamter, ich kläre Verbrechen auf, gleich, wer sie aus welchem Grund begangen hat.«
    Berg lachte, wie einer lacht, der an einem Irren verzweifelt. »Verbrechen ist nicht Verbrechen. Was für die einen eine Heldentat ist, ist für die anderen Mord. Denk an Schlageter, für die Franzosen war er ein Gesetzloser, für uns ist er ein Held.«
    »Seit wann denn das?«
    »Das hast du gar nicht mitgekriegt, unser Programm zur nationalen und sozialen Befreiung? Ulbrichts Erklärung?«
    »Was interessiert mich, was ihr heute verkündet? Morgen ist es was anderes als heute, und übermorgen wieder was Neues. Und natürlich ist immer alles richtig gewesen. Das ist lächerlich. Erst schlagt ihr die Nazis tot, dann umarmt ihr sie. Ich verstehe wenig von Politik, aber dass ihr und eure neuen Freunde Abenteurer seid, das habe ich begriffen.«
    »Welcher Staatsanwalt soll deinen Verbrecher anklagen, welches Gericht ihn verurteilen? Das Tribunal der Reaktion oder unser Volksgericht? Wenn wir die Macht haben, was glaubst du, was wir mit denen machen, die Hitler und Konsorten getötet haben?«
    »Ihr werdet sie feiern. Und wenn es sonst keinen Grund gäbe, euch zu hassen, so doch den, dass ihr Mörder bejubelt, weil die Opfer eure Feinde waren. Für mich ist ein Mörder ein Mörder.«
    »Wie albern«, sagte Berg. »Du kneifst vor deiner Verantwortung. Du hast eine Pflicht gegenüber deinem Volk.«
    »Phrasen, dumme Phrasen. Ich habe eine Pflicht gegenüber dem Gesetz. Nicht gegenüber dir oder deinesgleichen. Ihr brecht das Gesetz, und wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich dich verhaften.«
    Berg schaute mich eine Weile an, dann verzog sich sein Gesicht zu einem Lachen. Der RFB-Mann mit der Zigarre im Mundwinkel fiel ein. Sie standen da und lachten.
    »Lass mich gehen, Berg!«
    Er hörte auf zu lachen. Er schaute mich an, als wäre ich ein Papagei in Alaska. »Du hast Sorgen«, sagte er.
    Wir saßen lange und schwiegen. Der RFB-Mann nuckelte an der Zigarre. Berg starrte zum Fenster hinaus und schien nachzudenken. Vielleicht überlegte er, was er mit mir anstellen sollte. Dann sagte er:
    »Weißt du noch, damals bei Diksmuide? Als wir uns den Tommy geschnappt haben.«
    »Ja.«
    »Das war verrückt.«
    »Das, was du heute machst, ist verrückt.«
    »Vielleicht, Soetting. Aber es ist richtig. Das damals war falsch. Wir haben uns für die Falschen abschlachten lassen.«
    »Es ist immer falsch, sich abschlachten zu lassen.«
    »Du bist ein Zyniker geworden, Soetting. Ich habe gelernt aus dem Krieg.«
    »Du hast nur gelernt, weiter Krieg zu führen, Berg!«
    »Was macht Rübezahl?«
    »Ist bei der Reichswehr.«
    »Ach du Scheiße. War ein guter Kamerad. Aber Reichswehr ...«
    »Vielleicht kannst du ihn ja demnächst totschießen. Im Namen der Revolution, eures heroischen Kampfes gegen das Versailler Diktat oder was ihr gerade für hehre Ziele habt.«
    Draußen ratterte ein Maschinengewehr.
    »Scheiße!« brüllte Berg. Ich duckte mich und

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