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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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»SA!« rief der eine. Berg stand auf. »Wir reden nachher weiter«, sagte er. Er klang ruhig. Er wandte sich an seine Männer. »Alle auf Posten?« Einer versuchte eine Habtachtstellung, es sah lächerlich aus. »Jawohl!«
    Der Landsknecht mit der Zigarre blieb an der Tür stehen, während die anderen mit Berg den Raum verließen. Ich ging zum Fenster und schaute hinaus. Regenwolken verfinsterten den Tag. Ich sah, wie sich Berg und andere hinter und auf der noch unfertigen Barrikade postierten. Einer zog einen Leiterwagen mit Munition hinter sich her. Ich erkannte den Kämpfer, der mich auf der Straße angehalten hatte. Er zog seine Handgranaten aus dem Gürtel und legte sie griffbereit vor sich. Es waren furchtbare Waffen, ihre Splitter konnten einen halben Zug vernichten. Wir hatten Gräben ausgeräumt mit ihnen. Sie explodierten mit einem trockenen Knall, die Splitter pfiffen nach allen Richtungen. Es waren inzwischen vielleicht dreißig Kämpfer, die auf den Feind warteten. Sie lagen in Deckung und starrten nach Norden. Über der Barrikade hing schlaff eine rote Fahne, Hammer und Sichel großteils verschwunden in den Falten. Der Mann an der Tür nuckelte an der Zigarre, seine Augen verfolgten jede meiner Bewegungen. Ich zündete mir eine Zigarette an. Dann sah ich einen Verstärkungstrupp kommen, sie stellten ein Maschinengewehr an der rechten Flanke der Barrikade auf. Vor der Barrikade standen Autos, die nicht durchgelassen worden waren. Die Fahrer waren offenbar geflohen. Vorne erkannte ich meinen Horch. Die Kämpfer warteten. Ich erinnerte mich an das Warten, es zerrte stärker an den Nerven als das Gefecht. Einige rauchten, einer wechselte mehrfach die Position, ein anderer prüfte den Patronenstreifen in seinem Karabiner, zog ihn hinaus, steckte ihn in den Schaft, zog ihn wieder hinaus, steckte ihn wieder hinein. Plötzlich erstarrte alle Bewegung.
    Ich konnte die Straße nicht weit genug einsehen. Auf einmal stieg Walter Berg auf die Barrikade und winkte jemanden heran. Dann sah ich einen Mann in der braunen Uniform der SA, die Hakenkreuzbinde am Arm. Er trug ein weißes Tuch an einem Stock. Berg auf der Barrikade redete auf den SA-Mann ein. Der kletterte über die Barrikade. Dann näherten sich beide dem Haus, in dem ich festgehalten wurde. Sie kamen ins Wohnzimmer, der SA-Mann schaute mich an. »Ein Kommissar?« fragte er mit flacher Stimme.
    Berg lachte. »Genau, aber einer von der Kripo. Den Herrn haben wir vorhin aufgegriffen.«
    Der SA-Mann warf mir einen verächtlichen Blick zu. Die beiden setzten sich an den Wohnzimmertisch. Sie schwiegen sich eine Weile an, dann sagte der SA-Mann. »In Leipzig haben unsere und eure aufeinander geschossen, in München und in Hannover auch und wahrscheinlich noch anderswo. Das hat keinen Sinn. Wir sind doch auch Revolutionäre.«
    »Ihr seid die Schlägertruppe des Kapitals«, sagte Berg. »Das Traurige ist, dass viele in der SA Arbeiter sind.«
    »Wir sind Sozialisten«, erwiderte der SA-Mann.
    »Hitler ein Sozialist, ich lach mich tot.«
    »Brechung der Zinsknechtschaft, Strassers Wirtschaftsprogramm, das soll nicht sozialistisch sein? Ihr plappert doch nur nach, was Moskau befiehlt. Was ist daran revolutionär oder sozialistisch?«
    »Ohne Sowjetrussland keine Revolution. Ohne Moskaus Rückendeckung hauen uns die Franzosen und Engländer in Klump.«
    »Das ist schon wahr, aber es macht Russland nicht zum sozialistischen Paradies.«
    Sie schwiegen. Der SA-Mann legte ein Päckchen Zigaretten auf den Tisch. Berg nahm sich eine.
    »Hitler ist tot«, sagte Berg.
    »Und unsere Bewegung trennt sich von den Reaktionären. Wir wollten noch nie was zu tun haben mit Göring und Frick. Stennes ist unser neuer Führer.«
    »Aber mit Strasser, und der konspiriert mit Schleicher. Wenn das nicht die Reaktion ist ...«
    »Ist das wahr?«
    »Na sicher, die wollen eine Regierung der nationalen Einheit bilden. So nennen die das, aber es ist eine Militärdiktatur im Bund mit Hugenberg, Papen, Schleicher, Göring, Strasser.«
    »Strasser? Du lügst«, sagte der SA-Mann.
    »Draußen im Flur findest du ein Telefon. Kannst ja anrufen und fragen. Vielleicht verraten dir die Neunmalklugen im Braunen Haus, auf was für Leute du reingefallen bist. So blöd möchte ich mal sein.«
    Der RFB-Mann mit der Zigarre prustete los.
    Der SA-Mann stand auf. Berg nickte meinem Bewacher zu, der gab die Tür frei. Die Zigarre hing erloschen im Mundwinkel. Der Nazi schloss die Tür hinter sich. Dann

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