Der Countdown
Lebensversicherung ab, damit Anita und die Kinder versorgt wären, wenn ihm etwas zustoßen sollte.”
“Tatsächlich? Über welche Summe?”
“Ich meine, dass er von zweihundertfünfzigtausend sprach.”
“Das bedeutet höhere Versicherungsprämien. Wie konnte er sich diesen Ausflug dann überhaupt leisten?”
“Ich lieh ihm das Geld. Er sagte mir, dass sie wirklich Urlaub bräuchten. Ich ging davon aus, dass er es mir wie gewöhnlich von dem Geld zurückzahlen würde, das er später für seine Reiseberichte bekam. Es dauerte nur immer etwas.”
Graham sprach nicht aus, dass Ray auf ihn etwas widersprüchlich wirkte. Hier war ein Mann, der einerseits keine unnötigen Risiken einging, aber andererseits einfach mal so seinen Job kündigte. Rays Vater musste spüren, woran Graham dachte.
“Gibt es etwas, das Sie mir verschweigen, Corporal?”
“Ich versuche nur, mir einiges zusammenzureimen.”
“Sie sagten, es sähe derzeit nach einem Unfall aus. Gibt es etwas, dass Sie mir verschweigen?”
“Ich habe Ihnen alles gesagt, was wir wissen. Wir müssen nur noch Ray finden.”
“Corporal, es ist schwer, ein Leben zu erklären. Mein Sohn hat seine Familie geliebt. Für ihn war seine Arbeit etwas geradezu Heiliges. Er arbeitete hart an seinen Artikeln, sie waren sehr gut. Tatsächlich möchte ich seinen Laptop so schnell wie möglich zurückhaben. Es bedeutet mir viel, nachzulesen, woran er zuletzt gearbeitet hat.”
“Laptop? Ich glaube nicht, dass wir einen Laptop gefunden haben.”
Graham blätterte durch die Inventarliste der Spurensicherung.
“Er ging niemals ohne ihn aus dem Haus.”
“Möglicherweise haben wir ihn in einer Box mit Beweismitteln, oder das Labor befasst sich gerade mit dem Gerät.”
“Er hatte ihn bei sich, als ich sie zum Flughafen gefahren habe.”
“Ich werde mich darum kümmern.”
Graham war sicher, dass nirgendwo bei den Tarvers ein Laptop gefunden worden war. Den Rest des Abends verbrachte er mit Telefongesprächen mit dem Labor und den Kollegen in Banff, die er auf den Computer ansetzte.
Am nächsten Morgen stand Graham früh auf und fuhr mit Jackson Tarver zwei Stunden in westlicher Richtung nach Banff und dann tief in Faust’s Park hinein. Jackson Tarver warf Rosen in den Fluss, in dem seine Enkel, seine Schwiegertochter und vermutlich auch sein Sohn gestorben waren.
Am Nachmittag begleitete Graham ihn zum Flughafen und brachte ihn zum Flugsteig, wo sie Zeuge waren, wie drei Särge über die Gepäckanlage rollten und in Tarvers Maschine verladen wurden.
Bevor er an Bord ging, schüttelte Tarver Graham die Hand.
“Ich habe davon gehört, was Sie getan haben; dass Sie Ihr Leben riskiert haben, um Emily zu retten. Danke dafür.”
“Sie brauchen mir nicht zu danken.”
“Ich hoffe, Sie finden meinen Sohn, damit er zu seiner Familie nach Hause zurückkehrt.” Tarvers Händedruck gehörte zu einem Mann, der dagegen ankämpfte, zusammenzubrechen. “Bitte, tun Sie, was Sie können!”
“Ich werde mein Bestes tun.”
Graham stand am Fenster und sah zu, wie Tarvers Flugzeug langsam über das Flugfeld rollte. Er hörte wie die Turbinen aufjaulten und die Lichter der Startbahn flackerten. Dann klingelte sein Handy.
“Graham, hier ist Fitzwald.”
“Fitz, habt ihr den Laptop gefunden?”
“Keinen Laptop, aber ich habe etwas entdeckt, was du unbedingt sehen solltest.”
Zwanzig Minuten später stand Graham vor Fitzwalds Schreibtisch und betrachtete einen Schuh.
“Wir glauben, dass er Ray Tarver gehört.”
Graham war überrascht; er hatte diesen Schuh und sein Pendant schon gesehen.
“Ich verstehe nicht ganz, Fitz. Ich kenne diese Schuhe, sie standen im Zelt der Tarvers.”
“Und das hier befand sich im linken Schuh.”
Fitzwald warf ein dünnes kleines, in Leder gebundenes Notizbuch auf den Schreibtisch.
“Was hältst du davon, Dan?”
Graham überflog die mit Hand beschriebenen Seiten. Der Inhalt war kryptisch: etwas über eine
SS Age
, dann eine weitere Notiz:
B. Walker treffen
. Jede Menge Anmerkungen kurz vor dem letzten Eintrag:
‘X’ und ‘Y’ treffen, Verbindung zu Blue Rose Creek verifizieren
.
“Schwer zu sagen, ob es von Bedeutung ist.”
“Es muss von Bedeutung sein, gerade weil es in seinem Schuh versteckt war. Das hier schien ihm wichtiger zu sein als sein Pass.”
11. KAPITEL
T okio, Japan
Die Skyline von Tokio erhob sich schimmernd gegen den Nachthimmel.
Setsuko Uchida betrachtete das Lichtermeer vom Balkon ihres
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