Der Countdown
völlig normal, dass Kriminelle im Verhör übertrieben, um dadurch einen besseren Deal mit der Staatsanwaltschaft aushandeln zu können.
Danke, Langley, für die Info.
Mintz massierte sich die verhärteten Nackenmuskeln, während sie auf die aktuelle Terror-Warnstufe auf der Wand hinter sich blickte.
Heute sind wir auf Gelb – erhöhtes Risiko für terroristische Angriffe.
Ihr Computer zeigte neue Informationen zu dem afrikanischen Frachter an.
Er befand sich noch immer im Pazifischen Ozean mit Kurs auf die USA. Hinter der feindlichen Fracht wurden noch immer illegale Drogen vermutet, vielleicht Haschisch oder Kat-Blätter aus Äthiopien.
Gut, dachte Mintz, die Information schien die Runde zu machen.
Dennoch leitete sie den Text erneut an die anderen Stellen weiter.
Anbei neueste Informationen, um sich ein vollständiges Bild zu machen. Noch einmal an euch, Jungs von der Küstenwache, dem Zoll, der Drogenfahndung und der Terrorabwehr, die sich der Sache vermutlich längst angenommen haben.
Dann bemerkte Mintz, dass sie gerade einen Bericht vom Personenschutz des Secret Service erhalten hatte – jener Abteilung, die den Papst während seines USA-Besuchs in ein paar Wochen beschützen sollte. Mintz überflog die Änderungen auf der Reiseroute des Papstes. Zukünftige Ziele und interessante Hinweise bitte an alle Sicherheitsagenten.
Mintz trommelte mit den Fingern auf dem Tisch, während sie über ihre derzeitigen Berichte nachdachte.
Sie entschied, sie an den Secret Service weiterzuleiten.
Mintz war sich bewusst, dass sie die Sache mit Nachdruck verfolgen würden, da sie schließlich den Heiligen Vater beschützen mussten.
Es tat ihr leid, dass sie ihnen noch mehr Arbeit aufbürdete, doch ihr Auftrag lautete, alles Verdächtige weiterzuleiten.
Auch eine unbestätigte Drogenfracht aus Äthiopien.
Und wir wollen hoffen, dass es nicht mehr ist.
9. KAPITEL
C algary, Alberta, Kanada
Die Helfer fanden Anita Tarvers Leiche in Sektor 17, wo sie sich in aufgespültem Treibgut in einem Nebenarm des Faust River verfangen hatte.
Weniger als vierundzwanzig Stunden später lag ihr nackter Körper auf einem Edelstahltisch im Autopsieraum des gerichtsmedizinischen Instituts von Calgary. Nur ein paar Meter entfernt lagen die sterblichen Überreste ihres Sohnes und ihrer Tochter.
Während Graham dem Pathologen Dr. Bryce Collier und seinem Assistenten bei der Arbeit zusah, stellte er sich verschiedene Situationen im Leben von Anita und ihren Kindern vor. Die Weihnachtstage. Wie sie die Kinder auf den Schulweg verabschiedete. Ihre Aufregung vor dem großen Flug in die Ferien in den Bergen. Wie Anita ihnen unter den Sternen einen Gutenachtkuss gab.
Hatten sie geahnt, was auf sie zu kam?
Wie die meisten Detectives mochte Graham keine Autopsien. Doch sie waren Teil des Jobs. In seinen Jahren als Mountie hatte er die Opfer der verschiedensten Todesarten erlebt: Tod durch Verbrennen, Tötung per Elektroschock, Ertrinken, Erstechen, Erschießen, Zerhacken, Erhängen, Erwürgen. Durch Erschlagen mit Hammer, Hockeyschläger oder Rohr. Er hatte Enthauptungen bei Autounfällen und im Eis verschüttete Wanderer erlebt.
Doch egal an wie vielen Autopsien er schon teilgenommen hatte, er konnte sich niemals an die Kühle im Raum gewöhnen; an die überraschend vielfarbigen Organe, den betäubenden Geruch von Formaldehyd und Ammoniak. Weil das alles bedeutete, dass er bereits versagt hatte. Er konnte diese Menschen nicht mehr beschützen. Seine Arbeit begann quasi jedes Mal erneut mit einer Niederlage.
Und nun, mehr denn je, bedeutete es vor allem, dass er die Schuld am Tod seiner Frau trug.
Als die Autopsie an Anita Tarver und ihren Kindern beendet war, begleitete Graham Dr. Collier in dessen Büro. Er mochte Colliers winzigen Bonsai-Baum und das beruhigende Plätschern seines kleinen Feng-Shui-Brunnens. Sie spiegelten einen gewissen Optimismus wider. Vor dem großen Kunstdruck neben Colliers eingerahmten Urkunden und Preisen blieb Graham jedes Mal wieder stehen: Van Goghs
Im Zwielicht vor dem Sturm: Montmartre
.
Das Schlimmste steht uns noch bevor, dachte Graham.
Collier öffnete eine Dose Cola Light, schüttete den Inhalt in seinen Kaffeebecher und machte sich Notizen in seiner Akte.
“Ich führe die Todesursache auf die stumpfen Traumata zurück, die durch die Felsen verursacht worden sind. Herbeigeführt durch einen Unfall, nicht durch ein Verbrechen.”
“Keinerlei Zweifel?”
“Außer Sie wissen etwas, von dem
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