Der Countdown
würde eine unsichtbare Kraft an ihr reißen. Wieder ein Zucken, dass es sie fast vom Stuhl warf. Ihren Händen entglitten das Messer und der Schlüsselring, während ein Ruck nach dem anderen ihren Körper durchfuhr.
Maggies Haut prickelte.
Fatimas Augen quollen hervor, als wollten sie ihr gleich aus ihren Höhlen treten. Ihre Pupillen rollten nach oben, bis nur noch das Weiße des Augapfels zu sehen war.
Sie bewegte sich nicht.
Eine Minute nach der anderen verging. Maggie verlor jedes Zeitempfinden, bis Helga die Kerze ausblies und die Vorhänge zurückzog.
Fatima begann zu husten.
Helga brachte ihr ein frisches Glas mit gestoßenem Eis, und Maggie sah zu, wie Fatima es zerkaute. Sie wirkte erschöpft, als Helga ihr wieder die Brille aufsetzte und ihr dann half, den Turban neu zu wickeln.
“Wir sind fertig”, sagte Helga. “Danke, Maggie. Sie können gehen.”
“Fatima, haben Sie meinen Mann und meinen Sohn gesehen?”
“Ich habe nichts gesehen, was hilfreich wäre.”
Maggie konnte es nicht fassen.
“Sie haben etwas gesehen, oder?”
Fatima suchte nach ihrem Stock.
“Sie müssen mir helfen, bitte. Sagen Sie mir, was ich tun soll”, bat Maggie.
Helga half Fatima beim Aufstehen.
“Bitte, Maggie.” Helga nickte in Richtung Tür. “Wir sind fertig.”
“Ja”, flüsterte Fatima. “Ich muss schlafen.”
“
Das ist alles?”
“Sie müssen gehen”, wiederholte Helga.
“Nein! Warten Sie bitte, Sie müssen mir sagen, was Sie gesehen haben. Sie müssen mir helfen!”
Fatima streckte Maggie ihre zitternde Hand entgegen und gab ihr Logans Schlüsselanhänger und Jakes Messer. Einen Augenblick sah sie ihr fest in die Augen.
“Niemand kann helfen, vor allem ich nicht.”
“Was sagen Sie da bloß? Was bedeutet das?”
“Sie sollten beten.”
“Worum beten? Ich verstehe nicht.” Helga drängte sie zur Tür hinaus. “Bitte, Sie müssen mir helfen! Sie können es noch einmal versuchen! Bitte!
Ich spürte, dass Logan bei uns war!
Ich weiß, dass Sie etwas gesehen haben!”
Maggie trat einen Schritt vor Fatimas Haus und hörte, wie hinter ihr abgeschlossen wurde. Sie lehnte sich gegen die Tür, ließ sich auf den Treppenabsatz sinken und schlug die Hände vors Gesicht.
16. KAPITEL
C algary, Alberta, Kanada
Jesus Rocks
erschien in dem Feldstecher.
Der Schriftzug stand auf dem T-Shirt von Neil Bick, der sich seine zahlreichen Tätowierungen im Staatsgefängnis von Stony Mountain zugelegt hatte. Drei Jahre lang saß er dort wegen fortgesetzten Diebstahls von Computern aus Wohnwagen und Ferienhäusern ein.
Außerdem hatte er auf die zwei Cops aus Winnipeg, die ihn verhaften wollten, geschossen, sie jedoch verfehlt.
Wie waren die Fingerabdrücke dieses Exsträflings auf das SUV der Tarvers gelangt, fragte sich Graham, während er per Fernglas verfolgte, wie Bick die einsame Straße im Südosten von Calgary entlangging und direkt in die Falle hineinmarschierte.
Eine Einheit der Calgary Police hatte sein Haus umstellt. Die Straße war geräumt worden. In der Ferne bellte ein Hund.
“Alles klar, Zugriff”, flüsterte der Einsatzleiter über Funk.
Schwer bewaffnete Polizisten stürmten aus ihren Verstecken hinter Büschen, Bäumen, Veranden und Autos und zwangen Bick mit vorgehaltener Waffe, sich bäuchlings auf die Straße zu legen.
“Was zur Hölle soll das?”
Sie legten ihm Handschellen an, zogen ihn in den Stand und lasen ihm seine Rechte vor.
“Was, verdammt noch mal, soll das hier?”
Fünfundzwanzig Minuten später saß er in einem Vernehmungszimmer, ihm gegenüber Graham, der seine Akte bereits zum dritten Mal durchlas.
Neil Frederick Bick, Alter: vierunddreißig, geboren in Winnipeg, Manitoba. Die Mutter war eine Prostituierte und wurde vom Mitglied einer Motorradgang umgebracht, als Bick sechs war. Ein typischer Provinzjunge. Nach der Schule zum Militär und dann geradewegs ins Gefängnis.
Graham fragte Bick, ob er einen Anwalt anrufen wolle.
“Scheißanwälte. Ich brauche keinen, weil ich nichts gemacht habe. Warum halten Sie mich fest, Mann? Seit ich draußen bin, bin ich sauber geblieben. Ich brauch ’ne Zigarette.”
In dem öffentlichen Gebäude herrschte Rauchverbot, doch Graham schob ihm seine Packung hinüber. Bick schüttelte eine Zigarette heraus, zündete sie an und blinzelte durch den Qualm.
“Ja, ich hab mich an die Familie erinnert, nachdem ich von der Sache gelesen habe. Übel.”
“Erzählen Sie mir noch mal, wie Ihre Fingerabdrücke auf den
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