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Der Countdown

Der Countdown

Titel: Der Countdown Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Mofina
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kräftig gebaut war.
    “Ich bin Helga, Fatimas Freundin.” Sie führte Maggie durch das getäfelte Wohnzimmer zu einem Esstisch mit Tischdecke und sprach leise. “Setzen Sie sich bitte. Sie sollten wissen, dass es ihr nicht gut geht und ihr nicht mehr viel Zeit bleibt, deshalb müssen Sie …”
    “Helga!” Eine körperlose Stimme keuchte über den dunkel getäfelten Flur, der in den hinteren Bereich führte. “Komm und hol mich.”
    Helga verließ Maggie, die ihr nachschaute und kaum ihren Augen traute.
    Eine dünne, greisenhafte Frau, gebeutelt von Alter und Krankheit, trat aus der Dunkelheit. Ihre knorrige Hand hielt einen Stock. Ihr freier Arm lang um Helgas Hals. Die kräftigere Frau gab ihr Halt, während sie vorwärts hinkte.
    Fatima trug ein smaragdfarbenes Kleid mit hawaiianischen Motiven und hatte einen grünen Schal um die Haare geschlungen. Maggie stieg der Duft von Jasmin in die Nase, als Fatima sich auf einen Stuhl am Tisch fallen ließ. In dem silbernen Kreuz, das an einer Kette um ihren Hals hing, brach sich das Licht.
    Maggie saß Fatima gegenüber und dachte, dass sie diese Frau an eine Insassin eines Konzentrationslagers erinnerte. Die Haut in ihrem Gesicht war stramm an den Schädel gezogen. Hinter der übergroßen Brille erblickte Maggie grimmige dunkle Augen, als Fatimas geisterhaftes Lächeln schiefe braune Zahnstümpfe entblößte.
    “Es ist vorbei mit mir”, sagte Fatima, die ihr Kopftuch abnahm, um zu zeigen, dass ihr Haar ausgefallen war. Ein bisschen Flaum hier und dort war alles, was geblieben war. “Der Krebs. Nicht mehr viel Zeit für mich. Du bist Maggie?”
    “Ja.”
    “Dein Mann hat deinen Sohn mitgenommen, und du willst sie finden?”
    “Ja, er ist ein guter Mann, doch er ist durcheinander wegen …”
    Fatimas ausgestreckte Hand ließ sie innehalten.
    “Hast du mir etwas mitgebracht, was ihnen gehört?”
    Maggie suchte in ihrer Tasche nach Logans Piraten-Schlüsselanhänger und Jakes Taschenmesser, das sie aus den Sofaritzen geholt hatte, wo Dinge immer verloren gingen. Eine zärtliche Erinnerung flackerte in ihr auf, als sie beides in Fatimas Hand legte.
    “Mein Glas bitte, Helga.”
    Helga stellte ein Glas mit gestoßenem Eis neben Fatima.
    “Wir sollten beginnen”, sagte Fatima. “Was auch immer du hörst oder siehst, du darfst dich nicht bewegen oder sprechen oder Angst haben. Wenn ich etwas frage, antworte nur mit Ja oder Nein. Sag sonst nichts. Hast du das verstanden?”
    “Ich verstehe.”
    “Das Fenster und die Kerze bitte.” Fatima schob sich ein bisschen Eis in den Mund. “Das Eis kühlt meine Kehle und meinen Magen.”
    Helga entzündete eine weiße Kerze, stellte sie in die Mitte des Tisches und zog die schweren Vorhänge zu. Es wurde still im Zimmer, als Fatima die Arme ausstreckte und ihre Hände auf den Tisch legte. In den knochigen Fingern der einen Hand hielt sie den Schlüsselanhänger, in der anderen das Taschenmesser.
    Helga nahm Fatima die Brille ab. Maggie bemerkte, wie der Jasminduft intensiver wurde. Die Kerzenflamme spiegelte sich in Fatimas Augen, während sie unablässig das Messer und den Schlüsselanhänger zwischen ihren Fingern knetete. Ein Geräusch, das an ein leises Muhen erinnerte, erfüllte den Raum, bevor Maggie seinen Ursprung erkannte.
    Fatima.
    Sie summte und wirkte geradezu unwirklich. Der Schein der Kerze formte einen Glorienschein um ihren Kopf, während sie sich hin und her wiegte und ins Nichts starrte, als suche sie eine andere Dimension, in der sie andere Leben und andere Welten entdeckte.
    Gleichzeitig strich Fatima unablässig und immer eifriger über das Messer und den Schlüsselanhänger, als entzöge sie ihnen Energie, als spüre sie durch sie die Gedanken von Jake und Logan.
    Fatima schloss die Augen.
    “Ich sehe einen Truck.”
    Maggie hielt den Atem an.
    “Einen großen Truck”, sagte Fatima. “In der Nähe sind Berge.”
    Sie fing an, auf- und niederzuwippen, als ob sie im Fahrerhaus des Trucks säße.
    Maggie fühlte, dass Logan in der Nähe war. Fühlte seine Präsenz. Nahm seinen Duft wahr!
    “Logan! Liebling, hier ist Mommy! Wo bist du?”
    “Schsch.” Helga klopfte Maggie aufs Handgelenk.
    Fatimas Summen verstummte.
    Maggie hatte den Augenblick gestört.
    Fatima fuhr fort. In ihren ausgestreckten Händen rieb sie noch immer die Gegenstände, fing wieder an zu summen und zu wippen.
    Plötzlich warf sie ihren Kopf in den Nacken.
    Maggie keuchte auf.
    Fatimas Körper ruckte immer stärker, als

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