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Der Courier des Czar

Der Courier des Czar

Titel: Der Courier des Czar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Tarantaß an einer Biegung des Weges, durch welche der Sturm hereintobte. Der Wagen mußte also dem Winde gerade entgegen gehalten werden, denn ergriff jener ihn von der Seite, so wäre er unfehlbar umgeworfen und in den benachbarten Abgrund geschleudert worden. Von den Windstößen zurückgedrängt, bäumten sich die Pferde, ohne daß es dem Führer gelang, sie wieder zur Ruhe zu bringen. Auf die Schmeichelworte folgten die kräftigsten Flüche. Nichts half. Die armen, von den elektrischen Entladungen geblendeten, von dem schrecklichen, Artilleriesalven ähnlichen Donner betäubten Thiere drohten die Stränge zu zerreißen und durchzugehen. Der Jemschik war nicht mehr Herr seines Gespannes.
    Da sprang Michael Strogoff aus dem Tarantaß und kam dem Kutscher zu Hilfe. Seiner außergewöhnlichen Körperkraft gelang es, wenn auch nicht ohne Mühe, die Thiere zu bändigen.
     

    Es gelang, nicht ohne Mühe, die Thiere zu bändigen. (S. 112.)
     
    Aber die Wuth des Orkanes verdoppelte sich. Die Straße erweiterte sich an der eben erreichten Stelle tonnenartig, so daß sich der Wind hineinpreßte, etwa wie in die Zugrohre, welche man auf dem Verdeck der Dampfer sieht. Gleichzeitig begann eine Lawine von Steinen und Baumstämmen den Abhang herab zu poltern.

    »Hier können wir nicht bleiben, sagte Michael Strogoff.
    – Wir werden auch gar nicht länger hier sein! rief der Jemschik, während er ganz bestürzt sich mit aller Macht gegen die mit entsetzlicher Wucht einherstürmenden Luftmassen stemmte. Der Sturm war schon sehr nahe daran, uns bergab zu befördern, und das auf dem kürzesten Wege.
    – Nimm das Handpferd beim Zügel, Memme! antwortete Michael Strogoff; für das linke werde ich stehen!«
    Ein neuer heftiger Windstoß unterbrach Michael Strogoff. Der Kutscher und er mußten sich fast bis zur Erde niederbeugen, um nicht umgeweht zu werden; aber trotz ihrer eigenen und der Anstrengung der Pferde, die sie jetzt direct gegen den Wind hielten, rollte der Wagen doch eine kleine Strecke zurück, und hätte ihn dann nicht ein querliegender Baumstamm aufgehalten, so wäre er wohl vom Wege abgedrängt worden.
    »Fürchte Dich nicht, Nadia! rief Michael Strogoff.
    – Ich habe keine Furcht«, erwiderte die junge Liefländerin, ohne daß ihre Stimme irgend eine besondere Erregtheit verrathen hätte.
    Einen Augenblick verstummte das Rollen des Donners und der brausende Sturm verlor sich weiter unten in den Tiefen des Hohlweges.
    »Willst Du wieder hinunterfahren? fragte der Jemschik.
    – Nein, wir müssen hinauf; es gilt nur, diese Wendung des Weges zu überwinden, höher oben kommen wir unter den Schutz der Bergwand.
    – Aber die Pferde wollen nicht vorwärts.
    – Mach’ es wie ich, ziehe sie!
    – Diese Windstöße werden sich wiederholen.
    – Wirst Du gehorchen?
    – Du willst es.
    – Der ›Vater‹ selbst befiehlt es! setzte Michael Strogoff hinzu, der zum ersten Male den jetzt in drei Welttheilen allmächtigen Namen des Kaisers gebrauchte.
    – Dann also vorwärts, meine Schwalben!« rief der Jemschik und ergriff das Pferd zur Rechten, während Michael Strogoff die Zügel des linken packte.
    So geleitet, kamen die Thiere langsam wieder in Gang. Sie konnten nicht mehr seitwärts ausbiegen, und das Mittelpferd in der Gabeldeichsel, das nun nicht weiter gezerrt wurde, konnte die Mitte der Straße einhalten. Menschen und Thiere aber vermochten dem Sturme gerade entgegen nicht drei Schritte vorwärts zu thun, ohne davon einen oder zwei wieder zu verlieren. Sie glitten aus, fielen und erhoben sich wieder. Auch das ganze Gefährt schwebte jeden Augenblick in Gefahr, außer Ordnung zu kommen. Wäre die Wagendecke nicht so besonders sorgsam befestigt gewesen, so hätte sie der erste Anprall des Sturmes gewiß schon entführt.
    Michael Strogoff und der Jemschik brauchten mehr als zwei Stunden, diese kaum eine halbe Werft lange Wegstrecke zurückzulegen, welche der Geißel des Orkanes so sehr preisgegeben war. Und dazu lag die Gefahr nicht allein in diesem fessellosen Sturmwinde, sondern vorzüglich auch in jenem Hagel von Geröll und geknickten Stämmen, welchen der Berg um sie herum niederschüttete.
    Plötzlich zeigte sich in dem Bette eines Wildbachs ein größerer Steinblock, der mit wachsender Schnelligkeit in der Richtung auf den Tarantaß herabstürzte.
    Der Jemschik schrie entsetzt laut auf.
    Michael Strogoff wollte die Pferde mit einem wuchtigen Peitschenhiebe antreiben.
    Nur wenige Schritte, und das Felsstück

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