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Der Courier des Czar

Der Courier des Czar

Titel: Der Courier des Czar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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scheint’s gar nicht zu bemerken, daß er uns hier sitzen gelassen hat!
    – Nein, mich so zu behandeln! Mich, einen wohlbeglaubigten Engländer! Ich werde mich beim Kanzleramte beklagen und den Burschen dingfest machen lassen!«
    Der, welcher diese Worte herauspolterte, schäumte vor Wuth Aber plötzlich schien es Michael Strogoff, als ob ein Zweiter die Situation von ganz anderer Seite betrachtete, denn er hörte nach einem hellen, bei solcher Scene gewiß unerwarteten Gelächter die Worte:
    »Bei Gott, diese Geschichte ist gar zu drollig!
    – Was? Sie wagen auch noch zu lachen? entgegnete in ärgerlichem Tone der Bürger des Vereinigten Königreichs.
    – Natürlich, lieber College, und ganz aus vollem Herzen; was soll ich denn Besseres dabei thun! Ich rathe Ihnen, es ebenso zu machen! Auf Ehrenwort! Das ist gar zu drollig, das ist noch gar nicht dagewesen! …«
    Da erfüllte ein heftiger Donnerschlag den Engpaß mit schrecklichem Krachen, das der Widerhall der Berge noch mächtig verstärkte. Dann, als das letzte schwache Rollen verlöscht war, ließ sich wiederum die lustige Stimme vernehmen:
    »Ja, ja, ganz ausnehmend drollig! Das könnte in Frankreich wahrlich nicht passiren!
    – In England auch nicht!« antwortete der Brite.
    Beim Scheine der Blitze sah jetzt Michael Strogoff auf der Straße und gegen zwanzig Schritt vor sich zwei Männer auf dem hohen Rücksitz eines sonderbaren Fuhrwerks, das in dem tiefen Schlamme eines ausgefahrenen Geleises fest zu sitzen schien.
     

    »Hilferufe, Bruder! Hörst Du sie?« (S. 117.)
     
    Michael Strogoff näherte sich den beiden Reisenden, deren Einer immer weiter lachte, der Andere unverdrossen weiter schimpfte, und erkannte bald die beiden Zeitungscorrespondenten, welche auf dem Kaukasus den Weg von Nishny-Nowgorod nach Perm mit ihm zurückgelegt hatten.
    »Ei guten Tag, mein Herr! rief der Franzose. Sehr erfreut, Sie unter diesen Umständen wieder zu sehen! Erlauben Sie, Ihnen meinen intimsten Feind, Herrn Blount, hier vorzustellen.«
    Der englische Reporter grüßte und vielleicht wollte er nach allen Regeln des Anstandes eben seinerseits seinen Collegen Alcide Jolivet vorstellen, als ihn Michael Strogoff unterbrach:
    »Nicht nöthig, meine Herren, wir kennen uns ja wohl, da wir die Wolga gemeinschaftlich befahren haben.
    – Ah, sehr gut! Ganz richtig! Herr …?
    – Nikolaus Korpanoff, Kaufmann aus Irkutsk, antwortete Michael Strogoff. Aber wollen Sie mich wissen lassen, welcher für den Einen so erheiternde, für den Anderen so beklagenswerthe Unfall sich hier zugetragen hat?
    – Gut, ich rufe Sie als Richter an, Herr Korpanoff, entgegnete Alcide Jolivet. Stellen Sie sich vor, daß unser Postillon mit dem Vordertheile seines vermaledeiten Fuhrwerks davon gefahren ist und hat uns hier ruhig sitzen lassen mit sammt dem Hintertheile seines nichtswürdigen Fahrzeugs.
     

    Michael Strogoff eilte nach der Ecke des Abhangs. (S. 118.)
     
    Da haben wir nun die schlechtere Hälfte eines Telegs für uns Zwei, aber keinen wegekundigen Kutscher, keine Pferde mehr! Ist das nicht unbedingt und über alle Maßen drollig?
    – Ich finde gar nichts Lächerliches dabei! knurrte der Engländer.
    – Und doch, College! Sie verstehen die Sache nur nicht von ihrer besten Seite anzusehen.
    – Aber wie denken Sie denn, daß es möglich werden soll, unseren Weg fortzusetzen? fragte Harry Blount.
    – Nichts einfacher als das, spottete Alcide Jolivet. Sie spannen sich beispielsweise vor das uns verbliebene Restchen des Wagens; ich ergreife die Zügel, ich nenne Sie ›mein Täubchen‹, wie ein leibhaftiger Jemschik, und Sie trotten dann drauflos, ganz wie ein …
    – Herr Jolivet, fiel der Engländer ein, ein solcher Scherz geht zu weit und …
    – O, beruhigen Sie sich, Herr College. Sobald Sie sich verfangen haben, trete ich an ihre Stelle und Sie mögen mich dann als engbrüstige Schnecke oder ohnmächtige Schildkröte behandeln, wenn ich Sie nicht in einem Höllengalop dahinfahre!«
    Alcide Jolivet schüttelte das Alles mit einem so liebenswürdigen Humor hervor, daß Michael Strogoff sich eines Lächelns nicht enthalten konnte.
    »Meine Herren, nahm er darauf das Wort, da weiß ich doch besseren Rath. Wir befinden uns jetzt hier sehr nahe dem höchsten Kamme des Ural und folglich haben wir den Gebirgsabhang nur noch hinabzufahren. Mein Wagen befindet sich fünfhundert Schritt weiter rückwärts. Ich will Ihnen eines meiner Pferde abtreten, das spannen wir vor den Rest Ihres

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