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Der Courier des Czar

Der Courier des Czar

Titel: Der Courier des Czar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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wäre hinter ihnen niedergeschlagen.
    In einer Zwanzigstelsecunde sah es Michael Strogoff ein, daß der Tarantaß getroffen, seine Gefährtin zerschmettert werden müßte! Er fühlte, daß er sie lebend nicht mehr herauszuholen vermöchte …
    Da sprang er schnell hinter den Wagen, aus der Gefahr schöpfte er eine fast übermenschliche Kraft, stemmte den Rücken gegen die Achse, die Füße fest auf den Boden und drängte das schwerfällige Fuhrwerk einige Schritte vorwärts.
    Der gewaltige Block flog vorüber, streifte dem jungen Manne fast die Brust und benahm ihm den Athem, wie eine vorbeisausende Kanonenkugel Knisternd und Funken sprühend zersprangen die Steine auf der Straße.
    »Bruder! hatte zum Tode erschrocken Nadia gerufen, welche die ganze Scene beim Leuchten eines Blitzes mit angesehen hatte.
    – Nadia! antwortete Michael Strogoff, keine Furcht, Nadia!
    – Um meinetwillen könnte ich mich niemals fürchten.
    – Gott ist mit uns, Schwester!
    – Mit mir gewiß, Bruder, da er mich auf Deinen Weg geleitet hatt« sagte halblaut das junge Mädchen.
    Der Anstoß, den der Tarantaß durch Michael Strogoff’s Anstrengung erhielt, sollte nicht verloren sein. Er ward zur Anregung für die stutzenden Pferde, die frühere Richtung wieder einzuschlagen. Von Michael Strogoff und dem Jemschik so zu sagen gezerrt, klommen sie bergauf bis zu einem schmalen, von Norden nach Süden verlaufenden Kamme, wo sie gegen den directen Anprall des Unwetters einigermaßen gesichert waren. Die Berglehne zur Rechten bildete hier eine Art Sägewerk durch einen vorspringenden Felsen, der sich mitten in einem schäumenden Wildwasser erhob. Hier wüthete wenigstens kein gefahrdrohender Wirbelwind und der Platz schien einigermaßen haltbar, während in der Peripherie dieser scheinbaren Cyclone sich gewiß kein Mensch oder Thier hätte aufrecht erhalten können.
    Wirklich wurden einige Tannen, die mit ihren Wipfeln den Felsenscheitel überragten, in einem Augenblick geköpft, so als sauste eine Riesensense über die Hochfläche dahin.
    Das Unwetter tobte jetzt in vollster Wuth. Grell flammten die Blitze in den Engpaß hinein und in einem Athem rollte der furchtbare Donner. Der Boden schien unter den furchtbaren Schlägen zu erzittern, so als würde die ganze Uralkette erschüttert.
    Zum Glück hatte man den Tarantaß in einer tiefen Felsenaushöhlung ziemlich gut unterbringen können, wo ihn der Sturm nur etwas von der Seite traf; doch war er nicht so vollkommen geschützt, daß er nicht manchmal durch einige von den Bergvorsprüngen abgeleitete Seitenströmungen tüchtig geschüttelt worden wäre. Dabei stieß er wohl gegen die Felsmauer, daß man befürchten mußte, ihn in tausend Trümmer zersplittert zu sehen.
    Nadia mußte den von ihr eingenommenen Platz verlassen. Michael Strogoff fand bei einer Nachsuchung mit Hilfe einer Laterne eine kleine Aushöhlung, die wahrscheinlich nur von der Spitzhaue eines Bergmanns herrührte und in welche sich das junge Mädchen verkriechen mußte, bis es möglich würde, die Fahrt wieder fortzusetzen.
    Jetzt begann – es war gegen ein Uhr Morgens – der Regen in Strömen herabzustürzen, und nun wuchsen die aus Luft und Wasser gemengten Sturmwehen zu einer ungeheuren Gewalt an, ohne das Feuer des Himmels zu verlöschen. Unter diesen Verhältnissen war an den Wiederausbruch natürlich gar nicht zu denken.
    Trotz aller Ungeduld Michael Strogoff’s – und man begreift wohl, wie groß diese war – mußte er doch das schlimmste Unwetter erst vorübergehen lassen. Da übrigens der Bergrücken, über den die Straße von Perm nach Jekaterinenburg führt, schon erreicht war, so handelte es sich nur noch darum, die Bergabhänge des Ural hinabzufahren, und eine solche Thalfahrt, jetzt, über einen von unzähligen Bergbächen durchwühlten Boden, mitten in dem Sturm und den Regenschauern, hieß wirklich das Leben auf’s Spiel setzen, dem Verderben selbst entgegen eilen.
    »Abwarten – es ist schwer, sagte da Michael Strogoff, aber es sichert doch gegen vielleicht noch längere Verzögerungen. Die Heftigkeit des Gewitters läßt mich annehmen, daß es nur von kurzer Dauer sein werde. Gegen drei Uhr muß der Tag grauen, und wenn wir es gar nicht wagen dürfen, in der Finsterniß bergab zu fahren, so wird das nach Sonnenaufgang, wenn auch nicht leicht, so doch mindestens ausführbar sein.
    – So wollen wir warten, Bruder, erwiderte Nadia, doch wenn Du die Abfahrt aufschiebst, so geschehe es nicht, um mir

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