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Der Courier des Czar

Der Courier des Czar

Titel: Der Courier des Czar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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eine Anstrengung oder Gefahr zu ersparen.
    – Ich weiß es, Nadia, daß Du entschlossen bist, Alles zu wagen; wenn ich uns Beide aber bloßstelle, dann setze ich einen noch höheren Preis ein, als mein Leben oder das Deinige, dann entziehe ich mich der Pflicht und dem Auftrage, die ich vor Allem zu erfüllen habe.
    – Einer Pflicht! …« murmelte Nadia.
    Eben zerriß ein grellleuchtender Blitz den Himmel und schien den Regen gleichsam zu zerstäuben. Gleichzeitig vernahm man einen kurzen, trockenen Krach. Die Luft erfüllte sich mit schwefeligem, fast erstickendem Geruche und eine zwanzig Schritte von dem Tarantaß entfernte Gruppe alter Kiefern flammte, von dem elektrischen Fluidum entzündet, gleich einer Gigantenfackel lodernd in die Höhe.
    Der Jemschik stürzte, wie von einem Rückschlag getroffen, zu Boden, erhob sich aber glücklicher Weise unverletzt wieder.
    Hierauf, als das letzte Rollen des Donners sich in den Tiefen des Gebirges verloren hatte, fühlte Michael Strogoff seine Hand fest von der Nadia’s ergriffen und hörte sie die Worte in sein Ohr sprechen:
    »Hilferufe, Bruder! Hörst Du sie?«

Elftes Capitel.
Reisende in Noth.
    Wirklich vernahm man in der kurzen Ruhepause weiter oben von der Straße her und unsern der Aushöhlung, welche den Tarantaß deckte, wiederholtes Hilferufen.
    Es klang wie ein verzweifelter letzter Rettungsversuch, der offenbar von irgend einem gefährdeten Reisenden ausging.
    Michael Strogoff lauschte aufmerksam.
    Der Jemschik horchte gleichfalls auf, aber mit einem Kopfschütteln, so als scheine es ihm unmöglich, hier Beistand zu leisten.
    »Das sind Reisende, welche um Hilfe bitten, rief Nadia.
    – Auf uns werden sie nicht zählen dürfen! … fiel rasch der Jemschik ein.
    – Und warum das nicht? fragte Michael Strogoff etwas streng. Was Jene unter gleichen Verhältnissen gewiß für uns thun würden, sollen wir das unversucht lassen?
    – Ihr setzt aber Pferde und Wagen auf’s Spiel! …
    – Ich werde zu Fuß gehen, unterbrach Michael Strogoff den besorgten Geschirrführer.
    – Und ich begleite Dich, Bruder, erbot sich die junge Liefländerin.
    – Nein, bleibe, Nadia. Der Jemschik wird bei Dir sein. Ich möchte diesen nicht allein lassen …
    – So werd ich dableiben, erwiderte Nadia.
    – Was auch geschehe, verlasse diese geschützte Stelle nicht!
    – Du wirst mich da wieder finden, wo ich jetzt bin.«
    Michael Strogoff drückte dankend die Hand seiner Gefährtin, eilte nach der Ecke des Abhangs und verschwand bald im Dunklen.
    »Dein Bruder handelt unrecht, sagte der Jemschik zu dem jungen Mädchen.
    – Er handelt recht«, antwortete einfach Nadia.
    Inzwischen klomm Michael Strogoff rasch bergan. Wenn er große Eile hatte, den Bedrängten, welche jene Rufe erschallen ließen, helfend beizuspringen, so war doch auch sein Wunsch nicht minder groß, zu erfahren, wer jene Reisenden sein möchten, die auch dieses Unwetter nicht abgehalten hatte, sich in die Berge zu wagen, denn er zweifelte gar nicht daran, daß es dieselben Leute seien, deren Teleg immer seinem Tarantaß vorausrollte.
    Der Regen hatte jetzt nachgelassen, aber der Sturm tobte eher mit verdoppelter Wuth. Die Ausrufe, welche der Wind mit daher trug, wurden immer deutlicher. Von der Stelle, an der Michael Strogoff Nadia zurückgelassen hatte, war nichts zu sehen. Die Straße verlief mehrfach gekrümmt und der bläuliche Schein der Blitze erleuchtete nur den Bergvorsprung, der sich in einen solchen Straßenbogen hineinschob. Der Wind bildete, indem er sich an allen jenen Ecken und Kanten brach, sehr schwer zu passirende Wirbel, denen Michael Strogoff nur mit dem Aufgebot aller Kräfte zu widerstehen vermochte.
    Jedoch, es zeigte sich sehr bald, daß die Reisenden, von denen jene Hilferufe ausgingen, nicht mehr sehr fern sein konnten. Waren sie für Michael Strogoff auch noch nicht sichtbar – ob das nun daher kam, daß Jene sich nicht auf der Straße selbst befanden, oder daß nur die herrschende Dunkelheit sie seinen Blicken noch verbarg, – jedenfalls verstand er ihre Worte schon ganz deutlich.
    Da hörte er denn – natürlich zu seiner nicht geringen Verwunderung, – Folgendes:
    »Wirst Du wohl zurückkommen, Schlingel?
    – Dich erwartet die Knute auf dem nächsten Relais.
    – Hörst Du, Du Postillon der Hölle! He! Du, da unten!
    – So wird man in diesem verwünschten Lande befördert.
    – Und das nennen sie einen Teleg!
    – He, Du dreifacher Erztölpel! – Da reißt er aus und

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