Der Cyberzombie
geheißen und würde jetzt Quetzalcóatl geopfert werden.
Oscuro weiß es, dachte sie. Er weiß, daß ich mich gegen ihn gewandt habe, und jetzt wird er mich opfern.
Irgendwo in diesem Gedanken fand Lucero einen gewissen Trost. Wenn sie tot war, konnte sie zumindest nicht mehr bei der finsteren Zerstörung des Lichts helfen.
Sie führten sie durch das Allerheiligste und nach draußen, die Stufenpyramide des Tempels hinauf, welcher der Großen Gefiederten Schlange Quetzalcóatl geweiht war. Lucero warf einen letzten Blick auf die Welt ringsumher, während sie die Stufen zur Blutmagiegestalt im Apex erklomm.
Wie oft hatte sie an dem Ritual teilgenommen, als sie selbst noch ein Mitglied der Gestalt war? Wie oft war ein altes und ausgebranntes ehemaliges Mitglied gebracht worden, um dem Ritual als Opfer zusätzliche Kraft zu verleihen? Zu oft, um es noch zählen zu können.
Jetzt bin ich an der Reihe. Bevor das Licht sie berührt hatte, wäre alles so leicht gewesen. Doch jetzt kam ihr all das böse vor, wie eine Perversion der Magie. Lebensenergie für derartige Zwecke zu nutzen, unschuldiges Leben zu vernichten, um zu Macht und Herrschaft zu gelangen.
Die Landschaft rings um den Tempel hatte sich in den Tagen, die sie auf den Metaebenen verbracht hatte, stark verändert. Weit unter dem Tempel und am Fuße des Hügels hatte sich eine Menschenmenge um den See versammelt, in dem der Locus entdeckt worden war. Sie wurden von seiner Macht angezogen wie Motten vom Licht.
Lucero stellte fest, daß sie von der Verlockung des großen schwarzen Steins ebenfalls hypnotisiert wurde. Seine glänzende Oberfläche war absolut eben, wie die Facette eines Onyx, und schien alles Licht ringsumher zu absorbieren. Wie ein magisches schwarzes Loch zog der Locus Leute in seinen Strudel.
Der eigentliche See war trockengelegt, das Wasser durch große Rohre abgeleitet worden. Man hatte Sicherheitszäune errichtet. Auf dem trockenen Seeboden konnte Lucero das Fundament einer neuen Teocalli erkennen. Sie wurde direkt auf dem Locus errichtet.
In der Feme sah Lucero noch mehr Leute kommen. Tausende und Abertausende von Leuten, die alle zum Locus pilgerten. Sie kampierten in großen Zeltstädten, sangen und feierten das Ende der Aztekischen Fünften Sonne.
Lucero wußte, daß dies gleichbedeutend mit der Ankunft der Tzitzimine war - Dämonen, die die Welt verschlingen würden. Ein Schauder überlief sie. Hatte sie jene Dämonen auf der anderen Seite des Abgrunds gesehen?
Señor Oscuro empfing sie im Apex des Tempels. Er betrachtete sie eingehend und flüsterte ihr ins Ohr. »Es hat eine Veränderung in dir stattgefunden, mein Kind.«
Für einen Augenblick war Lucero einer Ohnmacht nahe.
»Obwohl dein Fleisch schwach wurde, hat etwas in deiner Seele an Stärke gewonnen. Du hast dich zu sehr verausgabt und warst ausgebrannt. Irgendwie scheint dich deine Zeit auf der Brücke in einem gewissen Maß geheilt zu haben. Heute wirst du deinen rechtmäßigen Platz bei einer Blutzeremonie einnehmen, um deine Heilung zu beschleunigen.«
Zuerst konnte sie Oscuros Worte kaum verstehen, aber als ihr langsam die Wahrheit dämmerte, weinte sie vor Freude. Im tiefsten Grunde ihres Herzens richtete sie ein stummes Dankgebet an das Licht für diese Gabe.
Sie hatte davon geträumt, sich wieder der Gestalt anzuschließen.
Die zehn Magier erhoben sich und sahen sie an. Sie waren alle Menschen, und ihre Haut war wie die ihre ein Mosaik aus Tätowierungen und runischen Narben. Sie hatten frische Einstiche am Hals und eine dunkle Leere im Blick.
Sie trugen blutrote Gewänder und wurden von den Heilem und Technikern umsorgt, die ihre Adern über dicke Katheter am Hals an die Blutkreislaufmaschinen anschlossen, die alle Gestaltmitglieder untereinander verbanden.
Oscuro bedeutete Lucero, ihren Platz unter ihnen einzunehmen, und sie gehorchte, gestattete sich, Teil des Blutkreislaufs zu werden. Doch als die Zeremonie begann, veränderte sich wieder etwas in ihr. Als sie das Blut durchströmte, wurde der dunkle Fleck auf ihrer Seele ekelhaft und verdorben, schwärzer als je zuvor. Ihr Blutdurst verzehrte sie, und sie fing an um sich zu schlagen, zerbrach das Verbindungsrohr und umging das Schema des Blutflusses.
Die übrigen Teilnehmer an der Zeremonie sahen sie mit einer Mischung aus Entsetzen und Wut an. Nur Oscuro ließ keine Regung erkennen. Als sei nichts geschehen, nahm Oscuro das erste der auserwählten Opfer und führte das Mädchen in den
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