Der Dämon, die Zeitmaschine und die Auserwählten (Zehn Namen) (German Edition)
der leichte Wind von heute morgen entwickelte sich langsam zu einem Orkan. Obwohl der ehemalige Beamte diese Unwetter dank seiner Außendiensttätigkeit eher gewohnt war, als die anderen, fror auch er ganz erbärmlich unter der Regenkleidung, die ihm Lisa geliehen hatte. Er hatte halt doch die meiste Zeit in trockenen Büros verbracht. Vielleicht war sein Ratschlag, den Wald zeitig zu verlassen, doch nicht der Richtige gewesen, denn dort hätten womöglich die Bäume zumindest ein bisschen Schutz gewähren können. Aber bei diesem Regen? Die nassen Geschöpfe schienen ganz allein auf der Welt zu sein. Nirgendwo war mehr ein Tier oder was auch immer zu sehen. Alles hatte sich längst in seine entsprechende Nische verzogen. Unter die Erde, in die vereinzelten Bäume, unter einen Stein oder sonst irgendwo. Hätten die Sechs das Treiben des Gewitters womöglich von ihrem Wohnzimmer (im Falle Rippenbiests ein Zelt aus Lederhäuten) aus durchs Fenster betrachten können und nicht als Betroffene mittendrin, hätte ihnen das Schauspiel ganz sicher gefallen. Immer wieder erleuchteten kilometerlange Blitze für Augenblicke den nachtblauen Himmel, begleitet von einem ohrenbetäubenden Donnergrollen. Der Sturm fegte durch das Gras, bog junge Bäume und riss kleines Gehölz mit sich auf seinem Weg ins Unbekannte. Ob dieser Sturm die Barrieren der Dimensionen durchbrechen konnte und schließlich auch in der Menschenwelt wehen würde? Vielleicht stürmte er irgendwann sogar um das Haus der Nebels und bestellte ihnen Bens Grüße, die er in diesem Augenblick stumm versandte. Damit sie wussten, dass ihr Sohn und Bruder überhaupt noch lebte. Aber jetzt tobte der Sturm hier, und Nessy, Lisa, Ben, Charly, Rippenbiest und Horst hatten große Mühe, sich gegen den Orkan zu stemmen, der dauernd seine Richtung änderte, als ob er ein Eigenleben führen würde. Unendlich lange marschierten sie schon durch das Chaos. Monotonie machte sich breit. Beinahe wie im Schlaf brachten sie Kilometer um Kilometer hinter sich auf dem Weg zum Großen Meer. Und aus diesem unerquicklichen Zustand des Halbschlafs wurden sie ganz plötzlich gerissen, denn einer der vereinzelten Bäume am Flusslauf, nur wenige Schritte vor ihnen, wurde von einem gewaltigen Blitzschlag getroffen und ging sofort in Flammen auf. Ein gutes Ziel für jeden Blitz. Zwar löschte der Regen den brennenden Baum in wenigen Augenblicken wieder, aber der Schock bei den Wanderern saß tief, denn erst jetzt fiel ihnen auf, dass auch sie die ganze Zeit ihrer Reise durch diese Landschaft über ein ausgezeichnetes Ziel für Blitze abgegeben haben mussten. Als höchste, noch dazu lebendige Punkte im Gras und auch noch in der Nähe des Flusses, der langsam seine Ufer zu verlassen drohte.
„Schluss jetzt!“, schrie Nessy gegen den Donnerlärm an, damit ihre Freunde sie verstehen konnten. „Mir reicht's! Ich bin hundemüde und habe keine Lust, von so einem verdammten Blitz geröstet zu werden. Und triefnass bin ich sowieso. Geht von mir aus weiter, aber ich mach jetzt Pause. Egal wo und egal wie!“
Sie meinte das ernst. Sie wollte keinen Schritt mehr weitergehen. Und sie sprach ihren Begleitern aus der Seele. Auch diese waren erschöpft; erschrocken von dem Blitz, und außerdem quälte sie der Hunger. Aber wo sollten sie denn hin? Eine Art Unterschlupf gab es hier nicht und auch sonst offensichtlich nirgends. Und auch im Zelt war man vor solch einem Unwetter nahezu ungeschützt. Außerdem, wie sollte man das Zelt befestigen? Der Sturm war viel zu stark und der Boden inzwischen weich wie Fonduekäse. Unter dem verkohlten Baum auszuruhen wäre glatter Selbstmord gewesen. Dies hatten sie gerade eben erleben müssen.
„Vielleicht sollten wir uns einfach in unsere nassen Decken rollen, uns in den Schlamm legen und an einer doppelseitigen Lungenentzündung versterben!“, schlug Charly resigniert und mit dem Rest seines schwarzen Humors vor.
„Lasst uns noch eine Viertelstunde weitergehen. Wenn wir bis dahin keine Lösung gefunden haben, geben wir auf.“ Ben glaubte nicht wirklich an das, was er sagte. Aber sein Gefühl riet ihm, noch ein bisschen weiter zu gehen und die anderen zum Folgen zu ermuntern. Und da Bens Ideen bislang nicht die schlechtesten gewesen waren, gingen die anderen auf seinen Vorschlag ein und rafften sich noch einmal auf.
„Aber nur noch eine Viertelstunde!“, maulte Nessy völlig ausgepumpt und reichlich frustriert.
„Höchstens!“, ergänzte Rippenbiest, dessen
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