Der Dämon, die Zeitmaschine und die Auserwählten (Zehn Namen) (German Edition)
Entfernte mich immer mehr vom Tranjandorf. Oder kam ich ihm immer näher? Wer konnte das schon ganz sicher wissen, hier im Nichts? Ich sah Tiere, die auf Erden längst nur noch als tote kalte Steine existieren. Schließlich nach endlos langer Wanderschaft erreichte ich das Zentrum. Überwältigend. Unvorstellbar groß und voller Rätsel. Ein Moloch. So viele unterschiedliche Wesen, gute wie böse. Eine Millionenstadt der Menschen ist ein kleines Dörfchen dagegen. Ein Zentrum voller Gegensätze ist das. Aber dennoch kommt alles, was es im Nichts gibt, offensichtlich von dort. Die Zeit, der Raum, das Gute, das Böse. Alles habe ich kennen gelernt. Nein, alles nicht. Alles kennt nur der Unsterbliche. Ich erfuhr lediglich so viel, wie ich erfahren sollte. Soviel, wie mir zustand.“
„Der Unsterbliche?“, Ben erinnerte sich an Meister Athrawons Karte und an das Gedicht. Auch da war schließlich vom legendären Unsterblichen die Rede. Er hörte diesen Namen, wenn es denn ein solcher war, wahrlich nicht zum ersten Mal. Eine Respektsperson hatte der Schulleiter ihn genannt.
„Wer genau ist der Unsterbliche? Zwar haben wir von ihm in unserem Unterricht gehört, aber das ist nicht das gleiche, wie jemanden leibhaftig zu treffen. Hast du ihn einmal persönlich kennengelernt? Wir müssen nämlich im Verlauf unserer ersten Praxisaufgabe zu ihm!“
„Ich kenne ihn leider nicht persönlich“, antwortete der Ältere. „Ich bin nie soweit gekommen. Im Zentrum war meine Reise nämlich seinerzeit zu Ende. Nachdem ich dort erfahren hatte, was ich wissen durfte, musste und wollte, hatte ich das Zentrum mit all seinen schlechten Seiten schnell satt. Es war mir zuviel Trubel dort. Endlich, nachdem ich viel zu lange dort gelebt hatte, wusste ich, wohin ich gehörte. Nämlich genau hierher! Und so kehrte ich auf dem gleichen Weg zurück, auf dem ich lange vorher das Dorf verlassen hatte. Mit dem Unterschied, dass mich auf dem Rückweg ein Fischerboot von Seebären über das Meer gebracht hat, ganz unspektakulär. Und jetzt bin ich hier. So wie viele andere auch, die mir unwissentlich gefolgt waren. Eigentlich hatte ich ja so wie du vor, den Unsterblichen kennenzulernen. Aber es ist so weit, unendlich weit! Wobei man ja auch nie so genau weiß, wo der alte Junge sich gerade aufhält. Und ich hatte schließlich hier meine Erfüllung gefunden, meine Welt! Und nicht zuletzt meine inzwischen leider verstorbene Frau. Ich wollte keine Zeit vergeuden für diesen ewig weiten Weg. Selbst hier, wo es scheinbar keine festen Entfernungen gibt. Das war es mir nicht mehr wert. Hier gefiel es mir einfach viel zu gut. Und den Unsterblichen kenne ich deswegen nur aus Erzählungen der Wesen im Zentrum, obwohl ihn auch von denen kaum jemand wirklich einmal leibhaftig gesehen haben mag. Wer ist also der Unsterbliche? Man sagt, er sei der Anfang und das Ende. Er sei schon immer da gewesen, schon bevor es das Nichts gab. Und er wird auch noch da sein, wenn alle Welten längst wieder erloschen sind. So sagt man zumindest.“
„Ist er Gott?“, fragte Ben vorsichtig.
„Vielleicht ist er Gott. Vielleicht auch nur ein Wanderer in der Ewigkeit. Keiner konnte mir sagen, wie er aussieht. Jeder hat ihn anders beschrieben. Vielleicht sieht ihn ja auch jeder irgendwie anders. Ich bin schon viel zu alt, um dieses Geheimnis noch zu ergründen, aber du, Ben, du wirst es vielleicht schaffen. Es ist womöglich deine Bestimmung!“
„Zumindest gehört das zu unserer ersten Praxisaufgabe. Aber sag, darf ich dir noch eine Frage stellen?“
„Gerne!“
„Wo kommen die anderen Menschen des Dorfes her? Alle Nationalitäten scheinen vertreten zu sein. Was hat euch zusammengeführt?“
„Wie gesagt, die Träume haben uns hierher geführt. Warum, dass kann ich dir nicht sagen. Wir erfüllen offenbar alle einen Zweck. Haben Freunde und Familien zurückgelassen, um hier zu sein. Nein, wir sind nicht gezwungen worden. Der Traum lässt einen selbst die Entscheidung treffen, ob man die Welt wechselt oder nicht. Einige, denen das Tor gezeigt wurde, sind womöglich gar nicht erst über die Grenze gegangen. Auch denen gilt mein ganzer Respekt. Selbst dich hat doch niemand gezwungen, hierher zu kommen, oder?“
„Nein. Sicher nicht. Ein Paar seltsame Zwillinge, einer schielt, und einer stottert ziemlich übel, hat mich irgendwie überzeugt, dass ich mit ihnen zusammen diese Welt betreten sollte. Ich sei ein Auserwählter. Ich kann heute noch nicht glauben, dass ich
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