Der Dämon, die Zeitmaschine und die Auserwählten (Zehn Namen) (German Edition)
schmecken.
„Wie lange wird es dauern?“, fragte er resigniert.
„Der Winter hier ist berechenbar. Zumindest in unserer Gegend. Er ist unglaublich kalt, kommt plötzlich, immer nach der gleichen Anzahl von Sonnentagen, aber – und das mag euch trösten – er geht fast genauso schnell, wie er kommt. In den letzten Menschenjahren ging die Sonne in jedem Winter dreißig mal auf und unter. Die Nächte sind lang und eisig. Aber wenn die Sonne zum einunddreißigsten Mal am Horizont erscheint, ist alles vorbei. Die Wärme macht allen Schrecken vergessen. Ich hoffe nur, dass unsere Proviantbeschaffer, die im Moment im Zentrum unterwegs sind, den richtigen Augenblick für ihre Rückkehr abgepasst haben.“
Ben blickte mit einem Aufflackern jähen Mitgefühls zu Jeremias, dessen Bruder ja auch einst ein Proviantbeschaffer gewesen war. Thomas hatte den Wintereinbruch mit seinem Leben bezahlen müssen. Wie konnte er selbst da hoffen, unbeschadet bis zum Meer zu gelangen? Schweren Herzens nahm sich Ben vor, wenn er denn schon bleiben musste – dreißig lange Tage und Nächte lang – den Winter mit diesen netten und allen Respekt verdienenden Leuten zu verbringen.
Ben besprach sich kurz mit Lisa, Nessy, Rippenbiest, Charly und auch Horst. Sie waren wieder einmal seiner Meinung. Sie würden also notgedrungen die Kälteperiode bei den Tranjans verbringen. Aber es gefiel ihnen - unabhängig vom Zeitverlust - ohnehin mehr als gut hier. Es hätte sie schlimmer treffen können. Aber dreißig Tage Untätigkeit, das war heftig. Lisa war auch einverstanden, ohne jedoch von ihrem Plan, den sie am frühen Morgen heimlich gefasst hatte, abzurücken. Dann eben nach der Kälteperiode. Unbemerkt und alleine. Manchmal konnte man sich die Dinge eben nicht aussuchen, oft suchten sich die Dinge selbst jemanden aus.
Die Bewohner und Gäste des Dorfes zerstreuten sich schließlich wieder, um einen der letzten warmen Tage zu genießen. Eine gute Geschichte war zu Ende erzählt worden. Auch Ben hatte genug gehört fürs erste. Vielleicht schon fast zuviel?! Er setzte sich an den Fluss und schaute ein wenig sehnsüchtig in Richtung Meer. Fern- und Heimweh überkamen ihn gleichzeitig.
Tags darauf gingen die Arbeiten los, die notwendig waren, das Überleben der Einwohner in dem kleinen Dorf im Nichts zu sichern. So nah lagen manchmal Feiern und Plagen beisammen. Die Dächer der Hütten wurden neu abgedichtet, um das Eindringen von Kälte und Schnee zu verhindern. Auch die Gäste beteiligten sich wie selbstverständlich an den Maßnahmen. Unter fachkundiger Anleitung erfahrener Einheimischer brachten Ben und Charly zusammen mit Jeremias das undichte Dach einer Hütte in Ordnung. Auch Rippenbiest war eine große Hilfe. Niemand konnte soviel und so schweres Material mühelos hin- und herschleppen wie der gewaltige Taure. Die Mädchen kümmerten sich zusammen mit Hotte darum, dass genügend Lebensmittelvoräte in den einzelnen Behausungen vorhanden waren. Für die zu erwartete Dauer von dreißig langen Tage und Nächten hatten sich die Auserwählten mit dem Bleibenmüssen arrangiert. Sie wussten, sie konnten nichts anderes tun. Was mochte wohl die andere, die Rote Gruppe in diesem Augenblick machen? Ob sie wohl vor ähnlichen Problemen stand? Oder ob sie schon längst einen Riesenvorsprung herausgearbeitet hatte? Was hatte sich Meister Athrawon nur bei der Ausarbeitung ihrer Route für die Praxisaufgabe gedacht? War das überhaupt noch zu schaffen? Dachten die Kandidaten nur an den furchtbar weiten Weg über das Meer, wurde ihnen Angst und Bange. Die Zeit, die doch angeblich gar nicht vorhanden war, lief dennoch ganz eindeutig gegen sie.
Während einige also die Behausungen am und auf dem Wasser winterfest machten, liefen auch in den Hütten selbst die Vorbereitungen auf Hochtouren. Die Menschen prüften ihre Vorräte, lagerten Holzscheite, um ihre Kamine und Feuerstellen den Winter über am Leben erhalten zu können. Kerzen wurden verteilt, und wer welche hat, schraubte Glühbirnen in Fassungen der elektrischen Lampen, denn die kalte Zeit würde gewiss auch eine dunkle werden. Endlich erfuhren die vier Gäste auch, woher die Tranjans und deren Freunde die Elektrizität bezogen. Am Ostende des Dorfes hatten sie ein kleines Wasserkraftwerk errichtet, ein Schaufelrad mit starkem Dynamo. Es reichte aus, um alle Hütten, deren Besitzer einen Stromanschluss wünschten, mit genügend Energie zu versorgen. Eng würde es nur werden, wenn der Fluss
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