Der Dämon, die Zeitmaschine und die Auserwählten (Zehn Namen) (German Edition)
Erinnerung war fort. So wie er es vorausgesagt hatte. Wie wer es vorausgesagt hatte? Der letzte Vorhang des Vergessens fiel, als sie sich aufrichtete und sich zu orientieren versuchte: Das Meer war auf der falschen Seite! Und überhaupt – die Berge, die sie gestern noch im Rücken hatte, sie waren einfach weg. Das Meer der sprechenden Fische lag hinter ihr und eine endlose Blumenwiese vor ihr. Sie hatte also das Meer überquert. War das der einfache Weg gewesen? Und würden Ben und die anderen ihn ebenfalls finden? Fast hoffte sie, dass es so käme, doch dann siegte die Vernunft über die Hoffnung: Besser, die anderen waren weit weg, wenn Lisa den Weg des Dämons kreuzte, Dann wären sie außer Gefahr, und das war das Wichtigste. Lisa hatte keine Ahnung, was sie Aichet entgegen setzen konnte. Aber darüber müsste sie sich Gedanken machen, wenn es erst einmal soweit war. Und das hatte noch Zeit. Vorerst klaubte sie ihr weniges Hab und Gut zusammen und ging fort von hier. Durch die endlose Wiese voller Windröschen, weißem Germer, Oleander, Wolfsmilch und unzähligen anderen Blumen und Gräsern, von denen sie, obwohl sie südlich des Binnenmeeres aufgewachsen war, nie zuvor gehört, gesehen oder gerochen hatte. Und hinter der bunten Pracht erwarteten sie weitere Abenteuer. Ein scheuer Mauergecko war der letzte, der sie sah, bevor sie im Blumenmeer verschwand. Dem Gecko war's offensichtlich egal.
Vom gegenüberliegenden Ufer waren die anderen Mitglieder der Blauen Gruppe noch sehr weit entfernt. Die Tiere hatten sich dank der wohlwollenden Pflege durch die Menschen bereits prächtig erholt und schauten über den Bootsrand hinweg interessiert auf das Meer hinaus. Der Strand, die Heimat der letzten Tage, war schon längst nicht mehr zu sehen. Ringsherum gab's nur endloses blaues Wasser. Langeweile drohte schon Einzug zu halten, als sie merkten, dass sich das Boot nicht mehr fortbewegte. Der ominöse Wind war ebenso plötzlich verschwunden, wie er entstanden war. Stillstand.
„Sind wir nun endlich in der Mitte dieses beschissenen Meeres?“, fragte Charly, der langsam seekrank zu werden drohte.
„So muss es wohl sein“, antwortete Ben. „Hoffe ich zumindest. Aber was passiert jetzt?“
Nichts. Die jungen Leute warteten. Die Katzen auch. Ben nahm noch einmal seinen Notizblock zur Hand. Da war doch irgendwas.
„Bist du mitten auf dem Meer, kommt ein jeder Fisch daher. Sie werden all sich unterscheiden, und wieder musst du dich entscheiden. Ob er dich richtig führen kann, kommt auf das Verhältnis an“, murmelte er vor sich hin. So hatte es ihnen der alte Kasathe nach dem Wettkampf prophezeit. Ben fürchtete sich einmal mehr vor dem Sich-Entscheiden-Müssen. Aber bisher hatte doch immerhin alles mehr oder weniger gut geklappt. Außer der Sache mit Lisa. Die hatten sie verbockt. Im Moment wäre Ben erst einmal froh gewesen, wenn die versprochenen, unterschiedlichen Fische endlich einmal auftauchen würden. Im wahrsten Sinne des Wortes. Auch der Passus aus Meister Athrawons Gedicht Sonst ist es mit Dir aus! beunruhigte ihn. Aber es stimmte wohl: wenn ihnen keiner half, würden sie hier langsam aber sicher verhungern, denn so lange, wie das Ganze hier noch andauern könnte, reichten ihre Vorräte nicht mehr. Die Auserwählten waren ja schon froh, dass T2 sich inzwischen auch mit Wasser zufrieden gab, da kein Milchpulver mehr da war. Immerhin befanden sie sich auf einem Meer voller Süßwasser.
„Moin!“
„Wie bitte, wer spricht da?“, wollte Ben wissen.
„Ich. Moin, hab ich gesagt. Habt ihr nicht gelernt, dass man zurückgrüßt?“
„Jaja, guten Morgen!“, erwiderte Ben, obwohl es schon bald Abend war. Die Stimme kam offenbar aus dem Wasser unweit des Bootshecks. Die Auserwählten versammelten sich auf der hinteren Sitzbank ihres Kanus („Vorsicht, Rippenbiest, du bist zu schwer!“) und blickten neugierig hinunter. Trotz Nessies Warnung bekam der Kahn beinahe das Übergewicht, aber irgendwie schafften sie es, nicht nass zu werden. Im Gegensatz zu ihrem Gesprächspartner. Der war nämlich bereits völlig nass. Klar! Denn es handelte sich schließlich um einen Fisch.
„Was macht ihr denn hier, mitten auf dem Meer?“, fragte er. „Wer einmal hier angekommen ist, der geht nie wieder fort. Nur einer kennt den Weg. Kann allerdings sein, dass ich das bin.“
„Ach, Unsinn! Glaubt ihm kein Wort!“, maulte ein anderer Fisch. Ein kleinerer. Nicht dunkelbraun, wie der erste, sondern in
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