Der Dämon, die Zeitmaschine und die Auserwählten (Zehn Namen) (German Edition)
von euch hier irgendwo ein kleines Kind gesehen? Ich auf jeden Fall nicht.“
„Also, ich bin zu alt, um noch als Kind durchzugehen“, erwiderte Rippenbiest.
„Was soll ich da erst sagen, Boy?“
„Bleibt uns nichts anderes übrig, als nach dem Kind oder nach dem blöden Ausgang zu suchen“, schlug Ben wenig hoffnungsvoll vor.
„Also noch ein Tag durch dieses Irrenhaus“, motzte nun auch Yoghi, der Wirt.
„Irrgarten, nicht Irrenhaus“, korrigierte Ben mit breitem Grinsen. Als er jedoch an den bevorstehenden, anstrengenden Tag dachte, war der kurze Anflug guter Laune auch schon wieder dahin.
Sie standen auf, packten einmal mehr ihr spärliches Hab und Gut zusammen und machten sich erneut mit Taschenmesser und nur noch wenig Mut auf den weiteren Weg. Entweder zum Ausgang, zu diesem ominösen Kind, im Kreis herum oder wohin auch immer.
Wieder war Mittagszeit, aber immer noch hatte sich nichts an der durchaus unerfreulichen Situation der Auserwählten geändert: Sie entdeckten Kreuze, die sie schon vor Stunden oder am Vortag in den Fels geritzt haben mussten, durften am Ende von Sackgassen wieder umkehren, gingen dann vermeintlich neue Wege, nur um an deren nächster Verzweigung festzustellen, dass sie doch einmal mehr im Kreis gelaufen waren. Erst als die Kuhkatze, die es leid war, durch die Gegend getragen zu werden, von Bens Arm hüpfte und zwischen den grauen Mauern verschwand, erwachten die Besucher des Labyrinths aus ihrer Monotonie.
„Verdammt!“, fluchte Ben. „Jetzt ist auch noch die Katze weg. Als hätten wir nicht schon genug Probleme!“
Die Fünf liefen hinterher und entdeckten die Kuhkatze wenige Gänge entfernt, wo sie scheinbar auf die anderen gewartet hatte. Gerade wollte sie sich wieder auf den Weg machen.
„Ich schnappe sie mir!“, rief der Wirt seinen Freunden zu und näherte sich der Schwarzweißen, die allerdings kein allzu großes Interesse zeigte, wieder auf den Arm genommen und durch die Gegend geschaukelt zu werden.
„Nein, lass sie!“, bat Ben den Wirt und überlegte einen Moment lang.
Yoghi beendete seine ohnehin reichlich aussichtslose Fangaktion und schaute ihn erwartungsvoll an. Genauso wie die anderen. Hatte der Gruppenleiter etwa wieder einen seiner rettenden Einfälle?
„Lassen wir doch die Katze entscheiden, wo wir hingehen. So eine Katze – sagt man – hat mehr Sinne als wir Menschen. Und man sagt auch, dass Kinder auf Katzen einen besonderen Reiz ausüben und umgekehrt. Wenn uns also wer zu diesem Kind aus Meister Athrawons Gedicht führen kann, dann ist es die Katze!“
Klang beinahe vernünftig. Die anderen hatten auch keine bessere Idee. Also legten sie ihr weiteres Geschick in die Hände – besser gesagt in die Pfoten – der Katze. Und die legte augenblicklich los. Immer darauf bedacht, dass die Menschen ihr auch folgen konnten. Und auf geheimnisvolle Weise schien die alte schwarzweiße Katze die Gänge zu kennen. Alte Katzen kennen viele Wege. Vielleicht sogar alle?
Am Nachmittag – immer noch folgten sie der Kuhkatze – hörten sie ein leises Summen. Sie konnten die Herkunft dieses Geräusches nicht gleich orten, doch während sie dem Stubentiger weiter folgten, wurde das melodische Summen lauter. Es schien von einem Lebewesen zu stammen. Von einem Menschen. Einem Kind? Schließlich hörten sie es ganz genau. Dieses Lebewesen summte eine ziemlich eintönige aber auch beruhigende Melodie vor sich hin. Sie folgten der Samtpfote um eine letzte Steinwand herum und sahen endlich, was Meister Athrawon angedeutet hatte. Aber es war nicht nur ein Kind. Es waren gleich zwei von der Sorte. Ein Mädchen, vielleicht zehn Jahre alt, und ein kleiner Junge um die fünf.
„Hallo“, sagte Ben vorsichtig, als er in das Sichtfeld der Kinder trat. Die Katzen ließen sich sofort in der Nähe des fremden Mädchens nieder. Sofort begann es, die zutraulichen Tiere ausgiebig zu streicheln. Doch es sagte kein Wort. Sie lächelte ihren Besuchern nur kurz zu, summte weiter ihre monotone Melodie und wiegte den kleinen Jungen auf ihrem Schoß, der schläfrig wirkte. Der Junge war auffallend schmal und blass. Er hatte große, traurige dunkle Augen und kurzes schwarzes Haar. Er trug Turnschuhe, eine Jeans und ein T-Shirt mit dem Aufdruck Daddy's Best. Er schien sehr müde zu sein, wenn nicht sogar krank. Er schenkte den Fremden keine Aufmerksamkeit. Genoss allein die Nähe und Wärme des anderen Kindes. Das Mädchen schien allerdings nicht seine Schwester zu sein, denn
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