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Der Dämon, die Zeitmaschine und die Auserwählten (Zehn Namen) (German Edition)

Der Dämon, die Zeitmaschine und die Auserwählten (Zehn Namen) (German Edition)

Titel: Der Dämon, die Zeitmaschine und die Auserwählten (Zehn Namen) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Dohmen
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Sonnenaufgang helllichter Tag gewesen. Und nun standen plötzlich zwei grell leuchtende Sonnen nebeneinander am Himmel. Eine Sonne zuviel. Und die Auserwählten staunten nicht schlecht. Doppelte Sonne – doppelte Hitze. Kein Wunder, dass der Wald starb. Aber in welch atemberaubendem Tempo! Und unaufhaltsam, denn es würde nun wohl nicht mehr Nacht werden über dem Wald der Poltans. Die Sonnen würden ohne Unterlass alles, was unter ihnen kreuchte und fleuchte, verbrennen. Alles und jeden.
    „Ich glaub, mich tritt ein Pferd. Ich hab hier ja schon vieles gesehen, aber das?“
    Yoghi war fassungslos. Weiter als bis zur Mitte der Mitte war er in seinem Leben nie gekommen, deshalb war auch ihm dieses Himmelsphänomen bis dato unbekannt gewesen. Nessy und Rippenbiest erging es ebenso wie dem schwitzenden Gastwirt.
    „Zwei Sonnen? Ja, spinn ich denn jetzt völlig?“ Charly war genauso perplex wie die Einheimischen. „Als wär's nicht schon kochend heiß genug!“
    Das Weitergehen fiel daher immer schwerer. Alle Sechs schwitzten wie nie zuvor in ihrem Leben. Der Boden wurde nun immer trockener und wärmer. Die Erde unter ihnen lag im Sterben. Die Bäume trockneten wie im Zeitraffer vor ihren Augen aus und starben ebenfalls. Reihenweise zerfielen sie zu Staub. Eine mächtige alte Tanne fiel buchstäblich in sich zusammen und hinterließ nichts als einen Haufen knochentrockenen Sand. Sand? Warum wurde aus einem toten Baum so etwas wie Sand? Das passte doch nicht zusammen. Doch genau das passierte nach und nach mit allen Pflanzen des ehemaligen Waldes. Sträucher verloren den Halt in der trockenen Erde und wurden vom leichten Wind wie Dornenbüsche in der Wüste durch die Gegend gepustet. Wüste? Die Sechs mussten vor Hitze und Erschöpfung bald wieder eine Pause einlegen. Zu einer Zeit, in der eigentlich längst Nacht hätte sein müssen. Und mit ihr Kühle und Gelegenheit zur Entspannung. Aber es würde von nun an keine Nacht mehr folgen. Etwa nie mehr?
    Und um Mitternacht oder das, was man bis gestern noch so genannt hatte, passierte das Unfassbare: Die Sonne ging auf. Die Dritte! Sie gesellte sich unnatürlich rasch zu ihren beiden Schwestern. Machte alles noch heller und noch heißer. Und gab dem Rest des Waldes buchstäblich den Rest. Bereits tote Bäume fingen Feuer und brannten wie Zunder. Gleiches passierte mit dem losen Strauchwerk. Nichts konnte der Triohitze trotzen. Seltsamerweise hinterließen Bäume und Büsche jedoch keine Asche, wie man es nach einem Brand erwartet hätte, sondern immer noch mehr von diesem allgegenwärtigen Sand. Nach nicht einmal einer Nichtsstunde war alles, was einmal den Wald ausgemacht hatte, verschwunden oder zu Sand geworden. Die sechs Wanderer befanden sich ganz alleine in der Gegend. Noch nicht verbrannt, aber doch immerhin kurz vor dem Garen, wie Yoghi es passenderweise ausdrückte. Sie stapften durch die Wüste. Durch die Wüste der Sandmenschen. Ohne es zu merken, hatten sie ihre nächste Etappe erreicht. Aber wie lange konnten sie hier überleben? Bei mehr als tropischer Hitze und nahezu ohne Wasser? Auch wenn sie der Hitze immerhin standhafter trotzten als die Botanik des Waldes. Schon begannen sie, das Trinkwasser zu rationieren. Die einzige Hoffnung, die ihnen blieb, war die, bald den Hufeisenfluss zu finden, so er überhaupt noch existierte. Vielleicht war er längst ausgetrocknet, oder sie hatten ihn gar verfehlt. Aber ohne ihn waren sie Sechs verloren, so viel war sicher. Sie würden ihn bald finden müssen. Irgendwie.
    „Schaut euch mal um“, sagte Ben, der sich bis auf die zerrissene Jeans und sein Unterhemd alles, was er am Leib trug, ausgezogen und in den Rucksack gestopft hatte, den er lustlos in seiner Rechten trug. „Bin ich vom ganzen Schweiß, der mir in die Augen geflossen ist, blind geworden, oder ist tatsächlich alles weg? Kein Baum, kein Strauch, kein Tier, nur Sand?“
    „Stimmt nicht ganz“, korrigierte Charly, der bis auf die inzwischen abgeschnittene Jeans ganz auf Kleidung verzichtete. „Da hinten vor der Sanddüne ist doch noch ein Tier.“ Er lachte trocken und sarkastisch.
    Das musste wohl einmal ein Reh gewesen sein, dessen bleiche Gebeine dort lagen und von dem langsam herumwirbelnden Sand bis aufs Mark abgerieben wurden.
    „So geht's uns auch bald!“, unkte der Wirt. „Verdammt!“
    „Blöder Casinochip!“, murmelte Rippenbiest vor sich hin.
     „Mit eurer Schwarzmalerei kommen wir jetzt auch nicht weiter!“, schimpfte Nessy.

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