Der Dämon, die Zeitmaschine und die Auserwählten (Zehn Namen) (German Edition)
in nasse, unergründliche Tiefen; stattdessen verharrten sie für einen winzigen Augenblick, der einer Ewigkeit gleichkam, unbeweglich in der Finsternis. Totale Finsternis! Die Erscheinungen der Zeit rings um sie herum waren verschwunden. Spurlos. Sie empfanden für nicht einmal eine Sekunde weder die Dunkelheit, noch die Nässe um sie herum. Nicht die Kälte und auch nicht die Mutlosigkeit in ihrem Geiste. Sie spürten in diesem Moment nichts. Nur das unbestimmte Gefühl, als sei die Zeit angehalten worden. Doch sie hatten keine Muße, um zu überlegen, was geschehen sein mochte. Denn schon ging das Abenteuer unter Wasser weiter. Doch anders als erwartet. Es ging wieder aufwärts. So wie Korken im Wasser wurden sie wuchtig nach oben gedrückt. Sie kamen sich beinahe vor, wie in einem durchgedrehten Lift, der die Stockwerke eins bis 100.000 im rasanten Sekundentakt durchlief. Es tat weh, das Wasser an Kleidern und vor allem an der nackten Haut zerren zu spüren. Aber immerhin ging es wieder nach oben, und schon wenig später wich das tiefe Schwarz der Tiefsee einem ersten zaghaften Dunkelblau. Und nun sahen sie auch wieder einige kurze Anblicke an sich vorbei nach unten ziehen. Aber es handelte sich nicht um Halluzinationen aus den Epochen der Zeitgeschichte. Im Gegenteil. Das war jetzt aktuelle Realität. Die Lebewesen der Tiefsee rauschten an ihnen vorbei und gestatteten ihnen einen kurzen Einblick in ihre Lebensweise und ihr Aussehen, der sonst nur den U-Boot-Besatzungen vorbehalten war. So erhaschten sie zum Beispiel kurze Blicke auf Pelikanaale, Tiefseeanglerfische, schwebende Korallen und den Riemenfisch, der ausschaute wie eine grüne Schlange, die sich mit einer wilden roten Perücke für die Disco zurechtgemacht hat. Leuchtsardinen, Tiefseekrabben und graue, boshaft dreinschauende Viperfische kreuzten ihren Weg ins Blau des Meeres zurück. Vor allem bei den Zitteraalen mussten sie sich vorsehen, denn wer wollte schon gerne in den Genuss einer Tausend-Volt-Ansichtskarte kommen? Aber auch dieser Gefahr konnten sie schließlich entgehen und gelangten in weniger tiefe Meeresgefilde. Hier bohrte sich bereits besonders hartnäckiges Sonnenlicht in die flüssige Tiefe und entschärfte das Schwarzblau endgültig zu einem mittleren satten Blau. Eine angenehme Farbe, vor allem, wenn man lange Zeit totale schwarze Finsternis gewohnt gewesen war. Weitere Tiere des Meeres gaben den ihnen unbekannten Gästen ein Stelldichein, während diese weiter nach oben schossen. Aus den Augenwinkeln heraus erkannten die Auserwählten auch einen Hai, an die fünf Meter lang, der einen Schwarm silbriger Heringe verfolgte. Einen fetten Kabeljau in deren Nähe ließ die Szene eher unberührt. Ein dahinschwebender Nagelrochen mit graugrünen Punkten, wie Augen, auf seinem braunen Rücken sowie eine mattgrüne Scholle schienen untereinander einen Wettbewerb auszutragen, wer denn nun der platteste Bewohner dieses Meeres sein mochte. Und es war den Fremdkörpern in diesen Tiefen noch gar nicht recht bewusst geworden, dass sie von einer Sekunde in die andere das Meer der Zeit verlassen und ein gewöhnliches Meer dieser Dimension erreicht hatten. Aber dieser Wechsel in die Wirklichkeit zog nach und nach auch durchaus unangenehme Folgen nach sich. Denn mit der Realität kehrten nun auch deren Gefahren und natürliche Gegebenheiten zurück: Der hohe Druck des Wassers, die Luftnot, die Raubtiere des Meeres und nicht zuletzt die Angst vor dem Ertrinken. Plötzlich spürten sie all dies, und sie bemühten sich, noch schneller nach oben zu gelangen, indem sie Arme und Beine zu diesem Zweck einsetzten. Aber es drohte, knapp zu werden. Hungrig schaute ihnen der grauweiße Hai hinterher und beschloss, von nun an lieber den wohlgenährten Menschen zu folgen, als den mageren Heringen, die eher eine dürftige Mahlzeit abzugeben schienen. Ähnlich schnell wie seine neuerwählte potentielle Beute folgte er ihnen der Meeresoberfläche entgegen. Als hätten sie nicht schon Probleme genug gehabt! Sie konnten die Oberfläche und die strahlende Sonne darüber schon erkennen. Aber es war immer noch verflixt weit. Wie ein Horizont, der zum Greifen nahe erschien, aber nie wirklich zu erreichen war. Langsam aber sicher wurde ihnen schwarz vor Augen. Zwar hatten sie die gefährlichen Zonen hohen Unterwasserdrucks gerade noch rechtzeitig verlassen können, aber nun drohten ihnen die Lungen ob des fehlenden Sauerstoffes zu bersten. Aber es musste weitergehen.
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