Der Dämon, die Zeitmaschine und die Auserwählten (Zehn Namen) (German Edition)
vorkam, sah man mal von den Bunten Bergen ab. Doch die Berge selbst waren noch nicht einmal das Sonderbarste!
Denn wer dachte, ein paar bunt gescheckte Riesenhügel wären der umwerfendste Anblick in dieser Ecke des Nichts gewesen, sah sich hier eindeutig getäuscht. Denn hier war nicht nur das Land hinter dem Meer. Es handelte sich auch um eine Müllhalde. Keine im herkömmlichen Sinne allerdings, denn hier lud niemand seine unbrauchbare Küchenmaschine oder die leere Kräckerpackung oder was auch immer ab. Der Müll, der hier landete, waren die Ideen, die in dieser oder anderen Dimensionen fallen gelassen wurden. Hatte sich je jemand in Bens Dimension gefragt, wohin ein Einfall geriet, wenn man sich von ihm trennte? Wer hatte nicht schon mal die spontane Eingebung, einfach alles sausen zu lassen und für einen Monat oder besser noch ein Jahr auf eine einsame Insel zu fliegen? Fernab von allem, was sich Zivilisation mit all ihren negativen Begleiterscheinungen nannte. Aber dann hatte man sich doch wieder eines Besseren besonnen und war mit seinem Hintern auf seinem Bürostuhl sitzen geblieben und hatte jeden Morgen freundlich seinen Chef gegrüßt. Oder man war weiter jeden Tag auf die Baustelle gegangen und hatte eine Mauer nach der anderen in die Höhe gezogen. Oder man musste weiterhin seine Frau beziehungsweise seinen Mann ertragen, bloß um der Kinder oder des lieben Friedens willen. Doch wo war dann eigentlich die Idee vom Trip auf die Insel geblieben? Die Antwort war ganz einfach, wenn man sie denn kannte: Hier! Im Land hinter dem Meer waren alle verdrängten und konfusen Ideen, die in anderen Welten keine Abnehmer gefunden hatten, aufbewahrt worden für die Ewigkeit. Sie lagen aber nicht einfach so im Sand herum, wie Kieselsteine. Nein. So, wie Ideen nichts weiter als verletzliche Seifenblasen darstellten, so wurden sie auch verwahrt. In kleinen, mittleren, großen und riesengroßen Seifenblasen, die höher als Häuser oder kleiner als ein Sandkorn waren. Und diese Seifenblasen in einem blassen Blau und mit der Sonne, die sich auf ihren dünnen Häuten spiegelte, säumten den Weg der Wanderer, die hindurchgingen, als wäre extra für sie eine Schneise – eine Art Straße – durch die unausgereiften Ideen geschlagen worden, die immer weiter nach Norden den Bunten Bergen entgegen führte. Mindestens hundert der unterschiedlich gefüllten Seifenblasen konnten die Fünf, die bei Bewusstsein waren, vor sich und um sich herum erkennen.
„Das ist ja die Wucht in Tüten!“, meinte der alte Wirt, der wieder einmal schwitzte.
„Du meinst wohl, die Wucht in Blasen, oder wie?“, scherzte Ben, dem es kaum besser erging.
Immer noch und immer mehr machte er sich Sorgen um seinen dicken, ohnmächtigen Freund auf den starken Schultern des Tauren. Aber es lenkte ihn immerhin ab, diesem von der Sonne in allen Spektralfarben verzauberten Anblick von Ideen und Hirngespinsten, eingesperrt in Seifenblasen, zuzusehen. Vorsichtig berührte Lisa eine der Kugeln in ihrer Nähe, um zu prüfen, ob sie so zerbrechlich waren, wie sie schienen. Doch sie konnte drücken, pieksen und stoßen, so fest sie wollte, zwar gab die jeweilige Blase nach, aber sie zerplatzte nicht. Nur das Farben- und Lichtspiel der Sonnenstrahlen auf der glatten, wässrigen Oberfläche der Seifenkugel veränderte sich je nach Lage auf dem sandigen Untergrund. Lisas Versuch galt einer Seifenblase, die etwa ebenso hoch war wie sie selbst. Dieses Gebilde war kugelrund und nur am Boden, wo sie auflag, etwas abgeflacht. Unter der bläulich schimmernden, transparenten Haut der Kugel erkannte sie eine der tausend Ideen und mehr, die in diesem Tal die Müllhalde der Einfälle bildeten. In dem Seifengefängnis schwebte eine Bombe. Sie war rund einen Meter lang mit einer schwarzen Spitze am vorderen und ebenso schwarzem Kranz am hinteren Ende. Das mit was auch immer gefüllte Mittelteil bestand aus blutrot lackiertem Stahl. Die Bombe drehte sich um sich selbst inmitten der großen Seifenblase. Zentimeter neben der gefährlich wirkenden Waffe schwebte, sich ebenfalls um sich selbst drehend, eine kleine Blume. Ein Stiefmütterchen, wie Lisa erkannte. Doch sie konnte die Verbindung zwischen den beiden Dingen in der Seifenhaut nicht herstellen. Denn was sie nicht wusste, eines Tages hatte ein Zeitgenosse in Bens Welt den seltsamen Einfall gehabt, eine ganz andere Bombe zu entwickeln. Sozusagen eine Alternativ-Waffe: die B-Bombe. Sie sollte statt Tod und Zerstörung
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