Der Dämon, die Zeitmaschine und die Auserwählten (Zehn Namen) (German Edition)
Nessy und der Taure standen nur hilflos herum und staunten nicht schlecht, wie harmonisch das aussah, was die beiden da in höchster Not veranstalteten.
„Wenn der Boy überlebt, meld ich mich gleich nächste Woche zu einem Erste-Hilfe-Lehrgang an. Ganz bestimmt!“, brummte der Wirt vor sich hin.
Und schon wenige Sekunden später - oder waren es gar Minuten gewesen? - bemerkte Ben, wie sich der Brustkorb des Jungen am Boden auch ohne sein Zutun hob und senkte. Zwar nicht nennenswert, aber immerhin. Und auch Lisa konnte mit ihrer Beatmung aufhören, denn im gleichen Moment setzte auch Charlys eigene schwache Atmung wieder ein. Er lebte!
„Willkommen daheim!“, flüsterte Ben ihm ausgepumpt zu. Doch immer noch war der Verletzte bewusstlos. Vermutlich drang kein Wort bis zu ihm vor. Aber er lebte zumindest. Lisa hockte sich ein wenig bequemer neben den Jungen hin und fühlte erneut an seinem linken Handgelenk nach dem Puls. Und diesmal hatte sie Erfolg. Zwar war er nur sehr unregelmäßig und kaum spürbar, aber die Pumpe in seinem Brustkorb hatte gerade noch rechtzeitig wieder angefangen, das Blut durch seinen Körper zu schicken. Wie lange mochte er ohne Pulsschlag und Atmung gewesen sein? Hoffentlich nicht zu lange.
„Wär bloß einer von uns wach geblieben, um nach ihm zu sehen. Vor allem ich als Gruppenleiter!“, machte Ben seinem Schuldbewusstsein Luft.
„Red doch keinen Quatsch!“, mahnte Nessy ihn schroff. „Du weißt genau, wie kaputt wir gestern alle waren. Niemand hätte es da geschafft, wach zu bleiben. Seien wir froh, dass er lebt. Mehr zählt jetzt nicht. Davon abgesehen: Wie hättest du überhaupt unterscheiden wollen zwischen Schlaf, Ohnmacht und … Tod?“
„Du hast ja Recht“, gab Ben ein wenig kleinlaut zu. Dennoch plagten ihn immer noch leichte Zweifel, die er jedoch nicht mehr laut aussprach.
„Mach dir nichts draus“, erwähnte Rippenbiest. „Ich bin auch eingeschlafen. Lass gut sein, mein Freund.“
Lisa nahm den Verband weg, warf ihn fort und schaute nun wieder nach Charlys Wunde. Die Blutung hatte über Nacht immerhin nahezu aufgehört. Aber rund um die klaffende Spalte in seiner Wade war das geschundene Bein beinahe schwarz. Die Blutvergiftung, die Lisa vermutete, hatte ihr zerstörerisches Werk mehr oder weniger vollendet, die Infektion wütete schlimmer denn je. Da hatte sie nicht den leisesten Zweifel. Und sie wusste genau, was das für Charly bedeutete. Und genau das wollte sie nicht aussprechen. Stattdessen legte sie einen neuen Aushilfsverband an. Diesmal hatte Yoghi einen Ärmel seines zerknitterten Hemdes für den guten Zweck geopfert. Wenn sie doch nur noch Antibiotika hätten. Aber Lisa hatte mehr als berechtigte Zweifel, ob selbst das nicht schon viel zu spät für ihren jungen Kameraden gewesen wäre. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren setzten sie ihren Weg gen Osten fort, in der Hoffnung, beim Urheber des Wegweisers dringend benötigte Hilfe zu finden. So schulterte Rippenbiest erneut den dicken Jungen, und es ging weiter durch den gelbweißen Sand. Bis zum frühen Abend. Und dann war von einem Meter auf den anderen nichts mehr von ihm zu sehen. Vom Sand, der sie so lange auf ihrem Weg begleitet hatte. Wie mit dem Lineal getrennt begann hier eine ganz neue Umgebung. Eine Art Dschungel; aber nichts so Exotisches wie etwa der Amazonasdschungel oder ein Urwald in Schwarzafrika. Es war lediglich ein unberührter, dichter Wald mit mitteleuropäisch anmutender Vegetation. Nun hatten sie auf ihrer Reise schon einige Wälder gesehen: Zuletzt den Wald der Poltans, vorher den Kakteenwald, in dem sie Björn den Seebären getroffen hatten, den toten Wald und so weiter und so fort. Aber dieser hier war anders. Dichter, grüner und irgendwie urtümlicher. Wahrscheinlich hatte dieser Dschungel niemals eine Axt oder gar eine Motorsäge gesehen. Zumindest nicht in den letzten fünfzig Jahren, denn nichts deutete von außen betrachtet auf irgendeine Art von Zivilisation hinter dieser Wand aus Laubbäumen hin. Aber hatte der Wegweiser an dieser gottverlassenen Kreuzung nicht genau in diese Richtung gezeigt? Wohnte dann vielleicht der unbekannte Schildermaler darin, oder noch weiter dahinter? Und wie groß mochte der Wald überhaupt sein? Egal – sie hatten wohl keine Wahl und gingen hinein. Grüne Dunkelheit empfing sie. Denn das dichte Dach aus hohen Baumkronen ließ nur wenige Sonnenstrahlen hindurch. So sahen die Reisenden auch nicht, wie sich weitere regenschwangere
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