Der Dämon, die Zeitmaschine und die Auserwählten (Zehn Namen) (German Edition)
sie sich, das lang ersehnte Nass aufzufangen. Begierig tranken sie anschließend davon. Literweise, wie sie glaubten. Auch Charly flößten sie, so gut es halt ging, etwas von dem Lebenselixier ein. Und nachdem der erste Durst von Katzen, Menschen, Taure und Wirt gestillt war, führten sie erst einmal einen kleinen Regentanz auf. Aus Freude über das ewig vermisste Wasser. Der alte Wirt stolperte dabei in dem dichten Gewirr von Bäumen, Sträuchern und Bodenbewuchs über eine hervorstehende Wurzel. Aber im Freudentaumel bemerkte er nicht einmal den blauen Fleck, der sich auf seiner faltigen Stirn bildete und freute sich weiter zusammen mit den anderen. Ben und Nessy hatten sich bei den Händen gefasst, tanzten wie die Idioten im Kreis herum und sangen sehr falsch und laut: „Es regnet, es regnet, der Yoghi wird nass ...“
Aber die Freude währte nur kurz, denn der Regen dachte gar nicht daran, nachdem der Durst aller endlich gestillt war, wieder aufzuhören. Im Gegenteil. Er wurde stärker und stärker. Und mit einem Mal fühlten sich die Auserwählten daran erinnert, wie sie damals bei eben solchem Wetter die Wirtschaft des alten Yoghi gefunden hatten. Dereinst hatte es ihnen, so glaubten sie heute, das Leben gerettet, aus dem tosenden Regen raus- und in die warme Gaststätte reingekommen zu sein. Und dann erst die üppige Mahlzeit, die ihnen der Wirt einst kredenzt hatte. Und das alles zu einem fairen Preis, wie sich Ben noch düster erinnerte. Ihm wäre das Wasser in Gedanken an die Pommes Frites bildlich gesehen im Munde zusammengelaufen, wenn es das nicht schon wortwörtlich getan hätte, sobald er versuchte, etwas zu sagen. Doch dieses Mal war weit und breit nichts zu sehen von einer Möglichkeit, sich trocken unterzustellen. Geschweige denn, sogar etwas Essbares zu ergattern. Und der Wald bot keinen Schutz mehr, nachdem sich das Blätterdach unter der gewaltigen Belastung des massenweise nachstürzenden Wassers ergeben und Blätter, Zweige und Äste gesenkt hatte. Und was machten die armen Tiere des Waldes? Wo fanden sie Schutz? Auf jeden Fall schienen sie alle in Richtung Osten zu fliehen. Warum nur?
Genau das sollten wir auch machen, dachte sich Ben, der sich nicht mehr traute, den Mund aufzumachen. Wegen des Wolkenbruchs. Dem Instinkt der Tiere folgen, ging es ihm durch den Kopf. Und er blickte auf die triefnassen Katzen – Kuka und T2 – die mit am Körper klebendem Fell erbärmlich ausschauenden Tiere folgten ihren einheimischen Artgenossen einem unbekannten Ziel entgegen, wenn es dort überhaupt ein Ziel gab und nicht nur alles Zufall war, durch das dichte Unterholz. Ihre befreundeten zweibeinigen Begleiter taten es ihnen gleich. Ben nickte dem Tauren zu. Dieser verstand: Rippenbiest schnappte sich erneut den ohnmächtigen Charly und ging voran. Gen Osten. Die anderen folgten ihm, beinahe blind durch den Regen. Sie nahmen den Weg, den die Waldbewohner gewählt hatten und brachen durch Sträucher, Zweige und den ein oder anderen tiefhängenden Ast. Ganz zu schweigen von – Yoghi kannte sie bereits – den tückischen Wurzeln, die schlangengleich aus dem Boden herauszuwachsen schienen. Sie flohen vor dem Regen, so schnell und gut es ging. Aber es ging alles andere als kinderleicht. Dieser verdammte Regen! Ben kannte aus seiner Heimat leichten Nieselregen, einen stinknormalen Landregen, einen mittleren Wolkenbruch und Schlimmeres. Aber das hier? Das war eine neue Dimension des Regens. Im wahrsten Wortsinne. Für gewöhnlich konnte man ja davon ausgehen, dass man im dichten Wald unter den ebenso dicht verflochtenen Kronen mächtiger Bäume selbst vor dem ärgsten Regen relativ sicher wäre. Zumindest in der ihm bekannten Dimension. Aber hier schien alles übertrieben: Der Sommer war übertrieben lang und heiß, der Winter übertrieben kurz und kalt, die Sonne erreichte manchmal übertriebene Anzahlen, wenn's regnete – was übertrieben selten war – dann übertrieben schlimm, und überhaupt alles war übertrieben! Zumindest, wenn man es mit den Erdenmenschen gewohnten Umständen verglich. Aber war das hier überhaupt so ohne Weiteres möglich?
Wie Kanonenschläge hörte es sich an, als Tausende von dicken Regentropfen in den dunklen Waldboden einschlugen und kleine Krater hinterließen. Längst hatte der unvorstellbare Niederschlag eine Intensität erreicht, dass er eine mit dem Auge kaum mehr zu durchdringende Wand aus Wasser gebildet hatte. Der Krach des Regens übertönte alles, was sonst noch
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