Der Dämonen-Gnom
organisatorischen Kram kümmern mußte, der immer anfiel, besonders bei der letzten Vorstellung des Jahres, wo die Mitarbeiter wie unter Strom standen und irgendwie alle nervös waren.
Ich lächelte Michaela Santini an, die neben mir stand und mir nur bis zur Schulter reichte. »Bisher ist alles gut gelaufen«, sagte ich.
»Ja, bisher.«
»Es wird auch weiterhin klappen.«
Das wollte uns Ela nicht glauben. Sie trat einige Schritte zur Seite, um im Schatten des kleinen Energiehauses stehenzubleiben. Das Zelt deckte uns gegen die Sicht der allmählich eintreffenden Zuschauer. »Ihr habt ja viele Kollegen gesehen, aber auf einen haben wir bisher verzichten müssen.«
»Sie meinen den Gnom?«
»Genau ihn, John.«
»Da hat sie recht«, sagte Suko. »Und wir sollten uns mal seine Bude anschauen.«
»Nein!«
»Wieso nicht?« Er hatte sich über den harten Ton meiner Antwort gewundert.
»Das ist ganz einfach. Er wird seinen Auftritt haben, er wird ihn durchführen wollen. Ich möchte doch nicht, daß er schon vorher gewarnt wird – oder?«
Suko stimmte mir zu. Michaela ebenfalls. Sie machte allerdings einen nachdenklichen Eindruck. »Wir können ja in seiner Garderobe nachschauen, ob er schon dort ist.«
»Sitzt er da allein?«
»Ja, John.« Sie strich das Haar zurück, das ihr der Wind aufgewühlt hatte. Er war jetzt, wo der Abend begann und die bunten Lichter eine farbige Insel in dem Tal bildeten, stärker geworden. Der Himmel sah aus wie von blauen Schatten umhüllt, die sich weit, sehr weit erstreckten.
»Wissen Sie, man will mit Pablo nichts zu tun haben. Das soll schon etwas heißen bei Menschen, die tolerant sein müssen, weil sich die Gruppe aus zahlreichen Nationalitäten zusammensetzt. Aber er wird einfach gemieden. Keiner möchte etwas mit ihm zu tun haben. Ich will nicht sagen, daß sie ihn hassen, aber sie gehen ihm aus dem Weg. Dies sicherlich aus guten Gründen.«
»Hat er die Kollegen angegriffen?«
»Nein, das nicht. Da wird er sich hüten. Er kümmert sich einfach nicht um sie. Er hat sein Leben stets allein gelebt. Er weihte nie jemand ein. Der Direktor hätte ihn schon längst entlassen, wenn er bei seiner Arbeit nicht so perfekt gewesen wäre. Sie müßten ihn sehen. Er ist wundervoll.« Wir wunderten uns über Michaela, denn sie fing richtiggehend an, von Pablo zu schwärmen. »Wenn er seinen Auftritt hat, wird es still. Da kommt etwas rüber, verstehen Sie? Selbst die Kinder halten dann den Mund. Sie sitzen wie gebannt auf ihren Plätzen und warten ab, was nun folgen wird. Dann zieht er alle Register seines Könnens. Sie werden erleben, wie er Kinder und Erwachsene zum Lachen und auch zum Weinen bringt. Er ist in seiner Arbeit einmalig.« Ihr Tonfall änderte sich wieder. »Aber menschlich ist er ein Schwein.«
Wir sagten nichts dazu, akzeptierten es, denn sie kannte ihn schließlich besser. »Gut. Wo gehen wir hin?«
»Zur Garderobe, John.«
Ich schaute auf die Uhr. »Wann beginnt er immer mit dem Schminken?«
Ela Santini gab die Antwort. »Ich kann es nicht genau sagen, aber er benötigt viel Zeit.«
»Dann schauen wir mal.«
Wir betraten das Zelt von der Rückseite her und konnten auch einen Blick auf die Ränge der Zuschauer erhaschen, die sich zur Hälfte gefüllt hatten. Das Publikum war gemischt. Junge und auch ältere Menschen saßen zusammen und warteten auf den Beginn der Vorstellung. In manchen Gesichtern zeichnete sich die Spannung ab. Die runde Manege wirkte wie ein gelber Teppich, dabei war es nur geharkter Sand.
Um uns herum herrschte Hektik. Stimmenwirrwarr drang in unsere Ohren. Jeder sprach mit jedem, wahrscheinlich wußte keiner, was ihm der Nachbar sagte.
Nur die Helfer blieben ruhig. Sie gingen ihre Pläne noch einmal durch und stellten die Requisiten zurecht. In einer Ecke wärmten sich Artisten auf, die an zwei kleinen Trapezen turnen würden und auch auf einem Hochseil Kunststücke darboten. Zwei Männer und eine Frau, die lächelten als sie Michaela sahen.
»Alles klar?«
»Natürlich, Jaime.«
Jaime war ein dunkelhaariger Mann mit einem durchtrainierten, geschmeidigen Körper. »Sieht aber nicht so aus. Hast du Ärger, Kleine?« Er schaute uns dabei finster an.
Ela hatte den Blick bemerkt. »Das sind meine Freunde, Jaime. Ich kenne sie schon lange. Sie haben es endlich geschafft, mich zu besuchen. Ausgerechnet zur letzten Vorstellung.«
Der Artist hob die Schultern, und seine Kollegen lächelten kantig. »Dann sehen wir uns sicherlich nachher,
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