Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)
überprüfen. Dabei ist
festzustellen, dass sehr vieles von dem, was Kieber in seinen zahlreichen
Stellungnahmen und Unterlagen behauptet und auf den ersten Blick unglaubwürdig
erscheint, sich zu einem großen Teil an den tatsächlichen Ereignissen
orientiert. Aber eben: Wo immer es ihm zu seinem Vorteil gereicht oder er von
eigenem Fehlverhalten ablenken kann, verlässt er die Ebene der Tatsachen und
legt sich eine eigene Wahrheit zurecht.
Die Nachforschungen
zu Heinrich Kiebers Leben fanden über einen Zeitraum von drei Jahren statt.
Zuerst recherchierte der Autor zusammen mit Sebastian Frommelt für den
Dokumentarfilm Heinrich
Kieber – Datendieb , der 2010 veröffentlicht wurde. Im Anschluss
daran taten sich neue Quellen auf, die weiteres Licht in Kiebers abenteuerliche
Vita brachten.
Im Verlauf
dieser drei Jahre wurden Hintergrundgespräche mit weit über hundert Personen in
einem Dutzend Länder geführt – mit Menschen, die entweder privat, beruflich
oder dienstlich mit Kieber zu tun hatten. Auch hier gilt: Seinen Freunden und
Bekannten gegenüber war Heinrich Kieber oft nicht ehrlich und erzählte dem
einen eine Geschichte in dieser Version und dem Nächsten in einer ganz anderen
Version. Dank der Vielzahl der Interviews kristallisierten sich die
plausibelsten Erklärungen heraus, und es wurde möglich, sich den tatsächlichen
Begebenheiten zu nähern.
Heinrich
Kieber hat bei seinen Abenteuern regelmäßig und in verschiedenen Ländern die
Behörden auf Trab gehalten – und damit eine Menge von Spuren in Akten
hinterlassen. Diese haben mithin ein Höchstmaß an Faktizität und geben den aus
anderen Quellen gewonnenen Informationen weitere Plausibilität.
Alle in
diesem Buch präsentierten Fakten basieren entweder auf offiziellen Papieren und
Auskünften, oder aber sie werden von mindestens zwei unabhängigen Quellen
bestätigt. Einige der hier zitierten Personen werden nur mit Vornamen und dem
Initial des Nachnamens identifiziert. Verschiedene Personen aus Liechtenstein
und der Region waren nur unter der Voraussetzung bereit, Auskunft zu geben,
dass sie anonym bleiben würden. Die geänderten Namen sind bei der ersten
Nennung mit einem Stern gekennzeichnet.
Die Sorge
der mit geändertem Namen auftretenden Personen vor negativen Konsequenzen mag
berechtigt sein oder nicht. Tatsache ist, dass diese Leute in einer ländlichen
Region leben oder arbeiten, in der jeder fast jeden kennt, und eine zu große
Nähe zum »Landesverräter« Kieber, insbesondere bei exponierten Berufen in der
Finanzwirtschaft, vielerorts als wenig förderlich angesehen wird.
Neben den
vielen, die im Buch zu Wort kommen, gibt es eine große Zahl von Menschen, die
ihr Hintergrundwissen mit dem Autor geteilt haben, aber nicht zitiert werden.
Zitate aus schriftlichen Quellen sind inhaltlich unverändert übernommen worden.
Gegebenenfalls sind sie zum besseren Verständnis und zur besseren Lesbarkeit
geringfügig angepasst worden. Verwendete Quellen sind, sofern sie nicht im Text
genannt werden, in den Anmerkungen nachgewiesen.
1. Heinrich und die Fürstin ‒ 1965
bis 1991
Der schmächtige Junge mit den
dunklen Haaren ist freudig aufgeregt und erwartet sehnsüchtig seinen Vater, der
ihn und seine beiden Schwestern in den nächsten Stunden im Kinderheim Gamander
abholen wird. Es ist Freitagmittag, die kleine Familie wird zu Hause das
Wochenende miteinander verbringen. Papa kommt bald! Das ist fast so schön wie
Weihnachten!
Aus dem
Mittag ist Nachmittag geworden. Andere Kinder verabschieden sich von ihren
Mitbewohnern, um mit ihren Eltern ins Wochenende zu fahren. Der Nachmittag geht
in den Abend über, und die letzten Heimkinder werden abgeholt. Nur Heinrich und
seine Schwestern warten vergeblich darauf, dass ihr Vater vor dem Gamander
vorfährt, um sie mit nach Hause zu nehmen – in die zehn Minuten entfernte
Gemeinde Mauren, wo Vater Kieber, seit seine Frau ausgezogen ist, allein im neu
erbauten Einfamilienhaus lebt.
Seine
spanische Ehefrau hatte Vater Kieber Anfang der sechziger Jahre im Urlaub in
der Nähe von Barcelona kennengelernt. Die Beziehung der beiden hat von Anfang
an einen schweren Stand, wie sich Guntram Vetter erinnert, ein in die Familie
eingeheirateter Onkel: »Die konnten sich kaum miteinander verständigen. Der
Vater sprach fast kein Spanisch und die Mutter kaum Deutsch. Der Pfarrer hat
ihm die Briefe übersetzt, die er ihr geschrieben hat.«
Guntram
Vetter wohnt zu der Zeit ebenfalls in der
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