Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)
Schweizer Franken im Monat. Und das konnte
man ihm auch glauben, weil er mit Geld sehr freigiebig umgegangen ist. Und
immer wieder mal ist er mit einem Rolls-Royce herumgekurvt. Das war schon
eigenartig für einen Jungen im Alter von sechzehn, siebzehn Jahren. Wenn man
ihn darauf ansprach, sagte er: In Liechtenstein kriegt man den Führerschein
schon mit siebzehn.‹«
Heinrich
Kieber fährt im Rolls-Royce vor und gibt Partys im Hotel Ritz – zu
diesen wird Sebastian Hermann aber nicht eingeladen. Denn Kieber hat keine
Lust, sich dauerhaft mit den »niederen Ständen« abzugeben. »Er war vielleicht
zwei- oder dreimal bei uns zu Hause zu Besuch nach der Schule oder am Abend«,
berichtet Hermann. »Er fühlte sich wohl in unseren eher normalen Verhältnissen und
sagte das auch. In der Schule posaunte er aber später herum, was für ein armer
Schlucker ich wäre.« Heinrich Kieber brandmarkt seinen Kameraden Sebastian vor
der Klasse zum Verlierer und lenkt damit erfolgreich von seinem eigenen
Hintergrund ab.
Bernhard L.
hingegen gehört zu den reichen Schülern in Kiebers Klasse. Er darf mit ins
Fünfsternehaus Ritz ,
wenn Heinrich eine Party schmeißt. »Er war immer einfach angezogen und hat den
Reichtum nicht offen gezeigt. Als er uns ins Ritz eingeladen hat, da haben wir
uns gedacht: Na ja, da muss schon was dran sein, sonst könnte er sich das ja
nicht leisten.« Die Unternehmertochter Ruth B. erhält von Kieber ebenfalls
Einladungen ins vornehme Haus an der Gran Via de les Corts Catalanes : »Er zeigte uns den Rolls-Royce, der an der
Straße vor dem Hotel parkte, und sagte: ›Das ist eines der Autos der Familie
Hilti.‹« Erst im Nachhinein kommen Zweifel auf: »Eigentlich war es schon
komisch«, fährt Ruth B. fort. »Sein Vater war nie zu Besuch, er war immer
allein.«
Das minderjährige
Heimkind Heinrich Kieber aus zerrütteten Familienverhältnissen in Liechtenstein
besucht in Barcelona eine Privatschule, verfügt über reichlich Taschengeld,
fährt Rolls-Royce und lädt zu Partys in exklusive Fünfsternehäuser in bester
Lage. Wer finanziert dieses Leben des nicht einmal Achtzehnjährigen?
Wo Kieber in
den fast eineinhalb Jahren, die er in der katalanischen Metropole verbringt,
sein Zuhause hat, lässt sich nicht eruieren. Im Mädchenwohnheim hat er nach
eigenen Angaben nur wenige Wochen gelebt. [4] Stattdessen taucht er mal hier, mal da
auf. Für einige Tage zieht er bei Bernhard L. ein, der mit seiner Familie in
unmittelbarer Nähe zur Schweizerschule wohnt: »Er sagte, er wolle nicht im
Hotel wohnen, das sei so mühsam, und er wolle nicht allein sein. Er hat dann
eine Woche bei uns gelebt, bei uns gegessen und so weiter. Und plötzlich nach
einer Woche sagte er: ›Ich muss jetzt gehen.‹ Dann verschwand er. Und am
nächsten Morgen kam er in die Schule, als ob nichts gewesen wäre. Er sei aus
Sicherheitsgründen gezwungen, immer in Bewegung zu bleiben, sagte er, weil das
Risiko für ihn als Hilti-Sohn sonst zu groß sei.« Eine Erklärung, die in
Zeiten, da die Anschläge von ETA und RAF die Schlagzeilen bestimmen, keine Verwunderung
auslöst.
Ein
besonderes Verhältnis entwickelt Heinrich Kieber während seiner Zeit in
Barcelona zu der Familie R., einer deutschen Unternehmerfamilie, die seit den
sechziger Jahren in Spanien zu Hause ist. Vater Helmut R. ist Inhaber einer
Firma, die in der Kunststofftechnik tätig ist und Maschinen für deutsche
Unternehmen vertreibt. Er beschäftigt rund 25 Mitarbeiter. Das Unternehmen hat
die Familie wohlhabend gemacht.
Die R.s
besitzen ein luxuriöses 170-Quadratmeter-Apartment an der Carrer de Roca i Batlle 28. Die
Lage des achtgeschossigen Hauses am Westhang des Parc del Turó del Putget ist privilegiert. Familie R. bewohnt die oberste
Etage, das Penthouse. Von der Terrasse aus genießt man ein herrliches Panorama:
Unten die flirrende Stadt, zur Linken am Horizont das glitzernde Meer und auf
dem Gipfel des Tibidabo , des Hausbergs Barcelonas,
der zur Rechten liegt, kann man die Attraktionen des Vergnügungsparks
ausmachen. Im Sommer, wenn es heiß wird in der Stadt, flüchtet die Familie in
ihr Ferienhaus an der Küste, das auf halbem Weg zwischen der katalanischen
Hauptstadt und Lloret de Mar liegt.
Sohn Kai R.
ist sechzehn Jahre alt und besucht zusammen mit Heinrich Kieber die
Handelsklasse der Schweizerschule, die nur einen kurzen Fußmarsch von der elterlichen
Wohnung entfernt liegt. Der neue Mitschüler aus Liechtenstein und Kai R. werden
enge Freunde.
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