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Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1

Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1

Titel: Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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mit Gewissenskonflikten« veranschaulichen die geradezu seuchenartige Ausbreitung der Präposition »um« auf Kosten der treffenderen Artgenossinnen »über«, »für«
    und »wegen«.
    Wer mit dieser Art von Formulierungen tagtäglich zu kämpfen hat, dem sei als kleine Hilfe nachstehende Tabelle empfohlen. Einfach kopieren und an den Monitor nageln, schon gibt's kein Rätselraten mehr um ... pardon: über die richtige Präposition.

    Die richtige Verwendung von »um« und »über«

    Substantiv
    Postposition

    Abstimmung
    über
    Affäre

    um
    Aufregung
    über
    Auseinandersetzung
    über
    Beratungen
    über
    Debatte über
    Diskussion
    über

    Drama
    um
    Gejammere

    über
    Gerangel

    um
    Gerede
    über
    Gerücht
    über
    Gespräch

    über
    Gezerre
    um
    Gezeter
    über
    Hickhack

    um
    Intrige

    um
    Konflikt (mit Besitzanspruch)
    um
    Konflikt (mit geteilter Meinung)
    über
    Krawall
    um
    Lamento

    über
    Mutmaßungen
    über
    Nachdenken

    über
    Poker

    um
    Prozess
    um
    Querelen
    um
    Radau
    um
    Rätselraten
    über

    Skandal
    um
    Spekulationen
    über
    Streit (mit Besitzanspruch)
    um
    Streit (mit geteilter Meinung) über
    Tauziehen

    um
    Verhandlungen
    über
    Vermutungen

    über
    Verwirrung

    um
    Wirrwarr

    über
    Zwist (mit Besitzanspruch)
    um
    Zwist (mit geteilter Meinung)
    über

    Die unvorhandene Mehrzahl

    Gerüchte, Spekulationen, Unterstellungen - sie sind der schlimmste Alptraum eines jeden Prominenten. Es gibt nur eines, was noch schlimmer wäre: das Gerücht, die Spekulation, die Unterstellung. Ein Plädoyer gegen schwammige Plurale und für die Kraft der Einzahl.

    Ein erpresserischer Innensenator, ein
    kompromittierter Bürgermeister, ein zur Miete
    wohnender Justizsenator und angebliche Zeugen für vermeintliche Liebesgeräusche. Die Gerüchteküche brodelte, was das Zeug hielt, aus allen Töpfen blubberte und spuckte es, weißer Schaum stemmte die Deckel hoch, zäher Brei troff auf die Herdplatte, wo er laut zischend verbrannte. Welch ein gefundenes Fressen für die Presse, die gar nicht hinterherkam, all die vielen Spritzer einzufangen und die Schliere in Tüten abzufüllen.

    Das las sich dann etwa so: »Gerüchte, er habe ein homosexuelles Verhältnis mit dem Justizsenator, wollte der Bürgermeister nicht kommentieren.« Abgesehen von dem moralischen Problem haben wir es hier auch mit einem stilistischen zu tun. Der Satz beginnt mit dem Objekt, und dieses Objekt wird im anschließenden Einschub näher erklärt. Das ist sprachlich zwar nicht elegant, grammatisch aber korrekt. Doch sehen wir uns dieses Objekt und seine Bestimmung einmal näher an:
    »Gerüchte« heißt es, ein Wort in der Mehrzahl. Und wie lauten diese mehreren Gerüchte? Da wäre zum einen: Er habe ein homosexuelles Verhältnis mit seinem
    Justizsenator. Aha. Und zum zweiten? Nix mehr. Schade eigentlich.

    Wir haben es hier mit einem Lieblingsphänomen der deutschen Schriftsprache zu tun: dem unvorhandenen Plural. Er taucht überall dort auf, wo vermutet, behauptet, unterstellt und spekuliert wird.

    »Befürchtungen, dass sie durch den heißen Auftritt ihrem Image geschadet habe, hat die Blondine offenbar nicht«, war in einem Text über Britney Spears zu lesen, nachdem sie von Madonna in die Wunder des
    öffentlichen pseudo-lesbischen Lingualverkehrs eingeführt worden war. Warum sich der Verfasser nicht getraut hat, »die Befürchtung« zu schreiben, wenn er doch nur eine nennt, das bleiben seine Geheimnisse.
    Vielleicht wählte er den Plural in der Annahme, der Aussage damit mehr Gewicht zu verleihen: Je mehr er die arme Spears befürchten lässt, desto mehr beeindruckt er die Leser. Doch das ist ein Trugschluss. Wenn es nicht gar Trugschlüsse sind.

    Der Plural verstärkt nicht, er verdichtet nichts, er macht die Befürchtung nicht fürchterlicher. Im Gegenteil
    – der Plural schwächt ab, er entzieht der Befürchtung das Beklemmende, macht sie beliebig. Hier wird die Möglichkeit verschenkt, mit weniger mehr zu erreichen.

    »Der Schriftsteller bestreitet die Vorwürfe, in den sechziger und siebziger Jahren für die Stasi gearbeitet zu haben.« Der Plural wäre verständlich, wenn Vorwurf eins lautete, der Schriftsteller habe in den sechziger Jahren für die Stasi gearbeitet, und Vorwurf zwei, er habe das, starrsinnig wie Intellektuelle nun mal sind, in den siebziger Jahren immer noch getan. Gemeint ist aber bloß ein einziger Vorwurf.
    »Forderungen nach einem direkten Rückzug der
    Koalitionstruppen schloss sich Fischer nicht an.«

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