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Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1

Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1

Titel: Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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Auch hier haben wir es nur mit einer einzigen Forderung zu tun; nämlich der nach einem Rückzug, dennoch steht das Objekt im Plural.
    »He, Zwiebelfisch, nun werde mal nicht
    haarspalterisch«, erschallt da der Ruf (oder sind es Rufe?) von irgendwoher, »die Mehrzahl soll doch nur verdeutlichen, dass die Forderung von mehreren Personen gestellt wurde.« Eine interessante These. Die vielen geheimnisvollen Quellen verstecken sich quasi im Numerus des Objekts! Es verschmilzt die Botschaft mit ihren Rufern. Das ist subversiver Journalismus in Höchstform.

    Bemühen wir die Logik: Jemand setzt ein Gerücht in die Welt, eine zweite Person trägt es weiter, wie viele Gerüchte haben wir? Zwei? Falsch. Es sei denn, der Inhalt wurde verändert. Gegenprobe: Im Stadion bricht Panik aus. 20 000 Personen rennen zum Ausgang. Wie viele Paniken haben wir? Selbstverständlich können diverse Gerüchte über den Lebenswandel einer Person kursieren, doch hinter der Aussage »Er hat ein homosexuelles Verhältnis mit dem Justizsenator«
    verbirgt sich nicht mehr als ein einziges Gerücht. Und das ist auch genug so. Denn ein einzelnes Gerücht kann mehr Schaden anrichten als eine ganze Batterie von Gerüchten. So wie die Last einer einzelnen Schuld mehr wiegen kann als diverse Schulden.

    Es gibt eine Zeichnung von A. Paul Weber mit dem Titel »Das Gerücht«. Darauf ist ein schlangenartiges Wesen mit einer menschenähnlichen Fratze zu sehen, das durch eine monotone Häuserschlucht gleitet. Aus allen Fenstern fliegen ihm kleinere Schlangen zu, heften sich an seinen Leib und lassen es zu einem grauenerregenden Monstrum anwachsen. Hätte Weber diese Allegorie nicht
    »Das Gerücht« genannt, sondern »Gerüchte«, wäre die Hälfte ihrer Wirkung verpufft. Das Beklemmende, Furchteinflößende liegt oft gerade in der Einzigartigkeit, im Einzelnen, in der Einzahl.
    Einfach Haar sträubend!

    Früher gab es erdölfördernde Länder einerseits und milchverarbeitende Betriebe andererseits. Dann kamen die Ölkrise und die Rechtschreibreform. Heute gibt es Erdöl fördernde Länder und Milch verarbeitende Betriebe einerseits. Und andererseits grotesk zerrupfte Begriffe wie Kapital gedeckt, Rückfall gefährdet und Muskel bepackt.

    Eines ist gewiss: Die Zeiten ändern sich. Der
    gutaussehende diensthabende Stationsarzt von einst ist heute allenfalls noch ein gut aussehender Dienst habender Stationsarzt. Und die ehemals
    gewinnbringenden Anlagen sind auch nicht mehr, was sie mal waren. Ob das Gewinn bringend für unsere
    Sprachkultur ist, wird von vielen angezweifelt. Zu Recht, denn die Verwirrung in der zeitgenössischen Orthographie ist immens.

    Die Rechtschreibreform wollte alles ein bisschen leichter machen. Regeln sollten vereinfacht werden, Ableitungen sollten logischer, Schreibweisen sollten geglättet werden. Schön und gut. Aber haben wir es mit der Rechtschreibung heute wirklich leichter? Wie kommt es dann zu derart irritierenden Textpassagen wie »Das Fernsehen sendete die Bilder Zeit versetzt« oder »Die Rakete fliegt fern gelenkt«? Wo kommen auf einmal all die »Reform orientierten« Chinesen her, die »Start bereiten« Shuttles, die »Computer gestützten« Spiele und die »Asbestverseuchten« Schulgebäude?

    Es lässt sich eine Besorgnis erregende Zunahme falscher Getrenntschreibungen feststellen. Besorgnis erregend, fast schon Furcht einflößend. Oder auch furchteinflößend. Auf jeden Fall Verwirrung stiftend.
    Die Rechtschreibreform hat viele
    Zusammensetzungen auseinander gerissen. Plötzlich war hier zu Lande nichts mehr so, wie es hierzulande mal war. Und wer dem Geheimnis der neuen Regelung auf den Grund zu gehen versucht, der verstrickt sich alsbald in einem klebrigen Gespinst aus Widersprüchen und Ungereimtheiten.

    Es würde zu weit führen, an dieser Stelle sämtliche Aspekte der Getrennt- und Zusammenschreibung erörtern zu wollen. Dazu reicht der Platz nicht aus. Für den Anfang genügt es schon, einen kritischen Blick auf Zusammensetzungen mit so genannten Partizipien zu werfen. Partizipien sind Wörter, die von Verben abgeleitet werden, aber den Charakter von Adjektiven haben. Es gibt sie im Präsens: sitzend, schlafend, träumend. Und im Perfekt: gesessen, geschlafen, geträumt, erledigt, benutzt, verloren.

    Früher war die Regel eigentlich ganz einfach: Eine Verbindung mit einem Partizip schrieb man zusammen und klein. Punktum. »Schweiß« und »treibend« ergab schweißtreibend, »Glück« und

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