Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1
Findige Verschwörungstheoretiker haben längst eine Verbindung ausgemacht zwischen der Rechtschreibkommission und den Programmierern der »Word«-Korrekturhilfe. Beide Gruppen hätten sich verschworen zu dem Zweck, die deutsche Gesellschaft durch Beseitigung aller
sprachlichen Sicherheiten in ein Chaos zu stürzen, auf dass der Weg frei werde für die Übernahme der totalen Macht durch Dieter Bohlen.
Dass die Unterscheidung zwischen getrennt
geschriebenen und zusammengeschriebenen
Verbindungen nicht klar ist, ist den Verantwortlichen mittlerweile selbst schmerzlich bewusst geworden. So hat die zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung inzwischen dafür plädiert, die Schreibung von Verbindungen mit Partizipien» etwas zu flexibilisieren« und den strittigen Paragraphen 36 um eine »Toleranzklausel« zu ergänzen.
Demnach ist bei Verbindungen mit Partizipien neben der Getrenntschreibung nun ebenfalls (wieder)
Zusammenschreibung möglich, jedenfalls solange das Partizip nicht allein für sich steigerbar ist.
Die Rat suchenden Leser sind also wieder als
ratsuchend zu-gelassen, und Fleisch fressende Pflanzen dürfen wieder als fleischfressende Pflanzen verkauft werden. Ein Teilsieg der Reformgegner, ein kleiner Triumph der Logik. Wenn eines Tages der Wasser abweisende Schutzanzug auch wieder wasserabweisend sein darf und die Energie sparende Lampe
energiesparend, dann bleiben uns vielleicht auch Kuriositäten wie Bahn brechende Erfindungen, Hitze beständige Glasur und Grund legende Reformen erspart.
Bis dahin wird uns allerdings noch manch Atem
beraubender, Sinn entleerter, Flächen deckender, Schwindel erregender, Ohren betäubender,
Hanebüchener Unfug begegnen.
Die Ruderregatta
Wieso müssen Politiker eigentlich immer
zurückrudern — weshalb schreibt niemand darüber, wenn sie irgendwo hinrudern? Warum wird Geld nicht mehr eingenommen, sondern nur noch gespült? Ab und zu sollte man populären Redewendungen ruhig auf den Zahn fühlen. Einige beginnen nämlich schon zu faulen.
Da sitzt er, der arme Bundeskanzler, mit triefendem Jackett, die Haare zerzaust, in dieser kläglichen Nussschale, die unaufhaltsam auf einen tosenden Wasserfall zutreibt, und stemmt sich mit aller ihm verbliebenen Kraft in die Riemen. Wird er es noch schaffen?
Dieses dramatische Bild erscheint bisweilen vor meinem geistigen Auge, wenn ich mal wieder lese: »
Schröder rudert zurück«. Und das kommt erschreckend häufig vor. Aber nicht immer zuckt es derart dramatisch in meinem Hirn. Mitunter sehe ich den Kanzler auch einfach in einem ruhigen Kahn auf dem Steinhuder Meer, ihm gegenüber Doris unterm gepunkteten
Sonnenschirmchen, zu seinen Füßen einen Picknickkorb mit einer geöffneten Rotweinflasche. »Wo steuerst du hin?«, fragt Doris orientierungslos. »Ich rudere zurück!«, erwidert Gerhard entschlossen. Am Ufer ein Rudel Reporter, Kameras werden in Stellung gebracht, klick, klick, und noch am selben Abend die Meldung im Fernsehen: »Schröder rudert zurück.«
Mit den sprachlichen Bildern ist das so eine Sache.
Wenn sie einmal in Mode gekommen sind, dann sind sie von der Fest-platte der Journalisten nur schwer wieder zu löschen. Und wer ist in den letzten Monaten und Jahren nicht alles schon zurückgerudert? Nach ihrem Kniefall in Washington vor
dem fleischgewordenen Denkmal des amerikanischen Imperialismus, für den sie sich hier zu Lande reichlich Schelte einhandelte, war über die Parteichefin der CDU
prompt zu lesen: »Angela Merkel rudert zurück.« Ein ziemlich weiter Weg, so quer über den Atlantik .. .
Auch Fischer, Trittin und Westerwelle rudern von Zeit zu Zeit zurück. Seltsam nur, dass man nie liest, wie jemand hinrudert. Man ertappt ihn immer erst beim Zurückrudern. Vielleicht eine Sparmaßnahme des Bundes? Hinfahrt in der gepolsterten Limousine oder im Guidomobil, zurück dann bitte per Ruderkahn. Sicherlich gibt's auch hierbei die Möglichkeit, Bonusmeilen zu sammeln. So oft, wie Gerhard Schröder schon
zurückgerudert ist, steht ihm zweifellos die eine oder andere Gratisfahrt im Tretboot zu.
Pecunia non olet, Geld stinkt nicht, soll schon Kaiser Vespasian gesagt haben, als ihn sein Sohn dafür tadelte, dass er römische Bedürfnisanstalten mit einer Steuer belegt hatte. Wenn dieser Ausspruch auch heute noch gilt, so vielleicht deshalb, weil das Geld so oft gespült wird.
Geld einnehmen, auftreiben oder womöglich
verdienen – das ist stilistisch passe. Heute
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