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Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1

Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1

Titel: Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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Zunahme erfolgt schrittweise, also handelt es sich um eine allmähliche, langsame, stetige Zunahme, aber nicht um eine schrittweise Zunahme.

    Würde es sich um einen Einzelfall handeln, wäre es ja nicht weiter schlimm. Duisenberg würde von der Sprachpolizei eine gebührenpflichtige Verwarnung erhalten und dürfte in seinem Vortrag fortfahren. Doch leider finden sich derartige Adverbialattacken zuhauf.
    Manager wie Politiker lieben gleichermaßen die großzügige Streuung von Wörtern der Art und der Weise, wo sie nicht hingehören.

    Ein unablässig sprudelnder Quell sind die Berichte von Vorstandsvorsitzenden auf Hauptversammlungen; da plätschert »die teilweise Zunahme« von Gewinnen in einem fort; da schäumt die »zeitweise Steigerung« des Kurses, dass einem ganz blümerant wird.

    Allen voran marschiert wieder einmal der
    Bundeskanzler: »Der schrittweise Abbau der
    unverantwortlich hohen Verschuldung, angehäuft von der Regierung Kohl, ist eine der großen Leistungen der Koalition«, sagte Schröder in einem Interview mit der
    »Freien Presse«, als erhöhte Neuverschuldung noch kein Thema war. Und »neue Modelle für eine stufenweise Ausbildung, um auch theorieschwachen Jugendlichen eine Berufsausbildung zu ermöglichen«, versprach der nordrhein-westfälische Wirtschafts- und Arbeitsminister Schartau vor Schülerpublikum. Da wurde der schiefe Turm von PISA doch gleich noch ein bisschen schiefer.

    Längst haben auch die Journalisten die illegale Adjektivierung des Adverbs als fragwürdiges Mittel zur Verschönerung ihrer Texte entdeckt. »Bestandteil des von Koch und Steinbrück verabredeten Konzeptes ist der schrittweise Abbau von Subventionen um zehn Prozent binnen der nächsten drei Jahre«, berichtete »Die Welt«
    im Zuge der Steuerreformdebatte.

    Der falsche Umgang mit dem Umstandswort wird
    auch nicht besser, wenn man das deplatzierte Adverb dekliniert:

    »UN-Generalsekretär Kofi Annan hat einen klaren Zeitplan für einen schrittweisen Abzug der US-amerikanischen und britischen Besatzungstruppen aus Irak gefordert.« (»Frankfurter Rundschau«)

    Denn bis auf wenige Ausnahmen sind Adverbien unflektierbar, das bedeutet, sie können nicht gebeugt werden. Doch so unflektierbar die Adverbien, so flexibel die Masse der Schreiber und Redner, die es nicht lassen können, das Unbeugsame zu beugen:

    »Ben Artzi, der 16 Monate im Gefängnis verbracht hat, bezeichnete das Urteil als teilweisen Sieg.« (AP) Wie wäre es mit »Teilsieg«? Das ist nicht nur kürzer, sondern hört sich auch noch besser an.

    »Zahlreiche Unternehmen nutzten den zeitweisen Rückgang der Zinsen auf ein 45-Jahres-Tief, um günstig Geld am Kapitalmarkt einzusammeln. (»Handelsblatt«) Den Grammaticus befällt ob solchen Stilbruchs ein zeitweiliges (!) Unbehagen. Zur partiellen (!) Beruhigung für alle Deutschen gereicht die Feststellung, dass es auch die Schweizer nicht immer besser machen. Die
    renommierte »Neue Zürcher Zeitung« schreibt zum Beispiel: »Die Städte fordern auch eine teilweise Abgeltung der einmaligen Umstellungskosten durch den Bund.« Ein Schweizer Immobilienexperte schießt den Vogel ab, beziehungsweise den Apfel vom Kopf. Er lässt sich mit den Worten zitieren: »Die privaten Veräußerer machen es sich schwer, den stellenweisen Minderwert ihres Besitzes zu realisieren.«

    Schuld ist wiederum der fatale Hang zur
    Substantivierung. Statt »Wir wollen einen schrittweisen Abbau der Schulden«
    könnte man zum Beispiel sagen: »Wir wollen die Schulden schrittweise abbauen.«

    Es wird die Zeit kommen, wo man sich vor
    haufenweisen Fehlern dieser Art nicht mehr retten kann, ebenso wenig wie vor stapelweisem Leergut im Keller und schachtelweiser Preiserhöhung für Zigaretten.
    Gepflegte Sprache ist nicht immer nur eine Frage des Stils, sondern manchmal auch eine der korrekten Art und
    -weise.

    Streit und kein Ende

    Ach, diese ewigen Streitereien, dieses nicht enden wollende Hick-hack, Gezerre und Gerangel um alles und jeden. Wer will das denn noch hören und mag davon noch lesen? Da empfiehlt sich eine radikale Streit-Diät.
    Ab sofort heißt es verschärft: diskutieren, debattieren, argumentieren und auseinander setzen.

    Landauf, landab wird nur noch gestritten. In der Politik und überhaupt im ganzen öffentlichen Leben gibt es keine Diskurse und keinen Meinungsaustausch mehr, sondern nur noch Streit. Wer morgens auf dem Weg zur Arbeit am Zeitungskiosk vorbeikommt, der kann nur noch den Kopf einziehen.

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