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Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1

Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1

Titel: Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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Von sämtlichen Titelblättern schreit es auf ihn ein: Streit hier, Streit dort, Streit überall und immerfort!

    Eine Suche im digitalen Zeitungsarchiv nach dem Wort » Streit«in Überschriften der letzten sechs Monate führt zu einer ungewöhnlichen Fehlermeldung:» Mehr als 1000 Dokumente gefunden. Bitte schränken Sie die Suche weiter ein.« Auch in den letzten fünf, vier, drei Monaten gab es noch zu viel Streit. Erst eine
    Einschränkung auf die letzten vier Wochen liefert eine Textmenge, die das Systembewältigen kann.

    Die Liste der Streits ist endlos: Vom Kopftuchstreit über den Stasi-Aktenstreit bis hin zum Currywurst-Streit
    – es wird gestritten, was das Zeug hält. Zeter und Mordio, hochrote Köpfe, erhobene Fäuste, wütendes Gekläff. Den Zeitungen nach zu urteilen, muss unsere Republik zutiefst zerrüttet sein. Überall verlaufen unüberwindbare Gräben der Zwietracht und des Hasses.
    Kaum hebt jemand den Finger und meldet eine neue Idee an, schon entbrennt ein weiterer Streit. Und selbst im Sommerloch, da streiten sie noch.
    Wie eine magische Beschwörungsformel liest man wieder und immer wieder die gleich gestrickte
    Einleitung: »Im Streit um die Steuerreform hat die CDU
    .. .«, »Im Streit um das Asylrecht hat die SPD ...«, »Im Streit um den Einsatz deutscher Soldaten in Awacs-Flugzeugen hat Bundesverteidigungsminister Struck ...«.
    Oder Sätze, die uns weismachen wollen, der Streit über dieses und jenes spitze sich zu, werde immer lauter, drohe gar zu eskalieren.

    Das einzige prominente Gegenbeispiel der letzten Jahre ist die unselige »Antisemitismusdebatte«, aber vermutlich nur deswegen, weil »Antisemitismusstreit«
    ein Spucke befördernder Zungenbrecher ist.

    Möglicherweise ist aber das, was in den Schlagzeilen als Streit daherkommt, in Wahrheit oft nicht mehr als eine mittelprächtige Meinungsverschiedenheit. Und die Zeitungen machen einen handfesten Streit daraus, weil das Wort so schön kurz und griffig ist und eine verkaufssteigernde Signalwirkung hat. Vielleicht sind die Gräben in unserer Gesellschaft gar nicht so tief, sondern nur mit Druckerschwärze gefüllte Furchen. Wie wäre es statt mit Frühjahrsdiät, Kartoffeldiät oder Gurkendiät mal mit einer Streit-Diät? Meiden wir das strittige Wort und reden wir stattdessen wieder von Debatten, Diskussionen oder Kontroversen.

    »Wenn Sie keinen Streit wollen«, sagt der Verkäufer vom Kiosk und lacht, »dann können Sie auch Krieg haben!« Und er zeigt auf die Titelseiten seiner ausgelegten Zeitungen. »Torwart-Krieg«, steht auf der einen, »Zicken-Krieg« verheißt die nächste. Das geht über »TV-Krieg« bis zum »Renten-Krieg«. Für
    diejenigen, die gegen das Wort Streit bereits immun sind, muss es eben Krieg sein. Gerhard Schröder hockt im Kanzlerbunker, während die Opposition vorm Reichstag Panzer auffahren lässt. Ob das die Gespräche über die Reformen voranbringen wird?

Der Streit über die richtige Präposition

    Erschwerend in der Streit-Debatte kommt hinzu, dass in der überwältigenden Mehrheit der Fälle das Wort
    »Streit« von der Präposition (beziehungsweise
    Postposition) »um« begleitet wird, obwohl »über«
    oftmals richtiger wäre. Denn es gilt zu unterscheiden: Beim Streit um die Wurst will jeder die Wurst für sich haben. Wir haben es mit Besitzansprüchen zu tun.
    Beim Streit über die Wurst können sich die
    Beteiligten nicht einigen, wie eine Wurst auszusehen hat und welche Zutaten hineingehören. Der Streit dreht sich um etwas Abstraktes.
    Bei der Erziehung streitet man sich über die Kinder, bei der Scheidung streitet man sich um dieselben. Die gleiche Differenzierung gilt für das fast ebenso häufig gebrauchte Wort Konflikt: Man unterscheidet den
    »Konflikt um das Kosovo« (Serben und Albaner wollen das Kosovo für sich) und den »Konflikt über die Steuerreform« (CDU und SPD sind geteilter Meinung).
    Eine Debatte und eine Diskussion werden grundsätzlich immer über etwas geführt. Denn in der Verbform heißt es schließlich: es wurde darüber debattiert und darüber diskutiert, nicht »darum«. Ebenso Gerüchte: Es kursieren Gerüchte über jemanden, nicht um jemanden.
    »Um« ist die am stärksten strapazierte Präposition.
    Beispiele wie »Mit ihrem Streik um die 35-Stunden-Woche hat die IG Metall ...« und »Wohl kaum eine Auseinandersetzung seit der Volksabstimmung um den Beitritt zur Europäischen Union hatte ...« und »Berliner Gegenwarts-Polizeifilme um Staatsbeamtinnen

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