Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
Vom Netzwerk:
wiederum kommt vom mittelhoch-
    deutschen Wort »tump« und bedeutet »stumm, töricht«.
    Anfang des 19. Jahrhunderts drang das Wort »doof« von
    Berlin aus in die Hochsprache ein. Da es sich jedoch um ei-
    nen umgangssprachlichen Ausdruck handelte, der in der
    Schriftsprache verpönt war, gab es lange Zeit keine Festle-
    gung der Schreibweise.
    Heute ist es üblich, das Wort mit einem »f« zu schreiben,
    weil das der Praxis im Hochdeutschen entspricht. Auf-v en-
    den sonst nur Fremd- und Lehnwörter. In den Ableitungen
    klingt zwar nach wie vor das weiche»v« durch − geschrieben
    wird es dennoch mit »f«: ein doofes Kind, die doofe Tante
    (gesprochen: dowes, dowe).

    Im Komparativ und Superlativ behält das Wort seinen
    Klang: doof, doofer (gesprochen: dower), am doofsten. Viele
    Menschen sagen aber auch döwer und am döfsten. Das ist in
    der gesprochenen Sprache möglich, in der Schriftsprache
    existiert jedoch nur die Form doof, doofer, am doofsten.

    Wir Deutsche oder wir Deutschen?

    »SCHEISSE DEUTCHEN« ist in großen Lettern an die Wand ge-
    sprayt. Man steht betroffen davor und erkennt: Da hat sich mal wie-
    der eine von uns Deutschen enttäuschte Seele den Frust aus der
    Dose gesprüht. Doch neben der persönlichen Verbitterung eines
    Einzelnen zeugt dieses Graffito noch von einem ganz anderen Pro-
    blem.
    »SCHEISSE DEUTCHEN« ist falsches Deutsch, und zwar in
    mehrfacher Hinsicht: In der knackigen Formel sind nicht
    weniger als vier Fehler versteckt. »SCHEISSDEUTSCHE«
    muss es heißen. Der Duden sieht bei Fügungen mit dem als
    »derb« qualifizierten Wort »Scheiß« Zusammenschreibung
    vor und nennt als Beispiele: Scheißdreck, Scheißhaus,
    Scheißkerl, Scheißladen, Scheißwetter. Nun hat nicht jeder,
    der irgendwo ein Graffito an die Wand sprüht, immer einen
    Duden zur Hand. Und selbst, wenn: Das Wort»Scheißdeut-
    scher« hätte er darin nicht gefunden. Es bliebe auch immer
    noch die Frage, wie man es richtig dekliniert und wie die
    Mehrzahl lautet. Das bereitet übrigens nicht nur Ausländern
    Probleme. Auch wir Deutsche haben mit unserer Gramma-
    tik Schwierigkeiten. Gerade, wenn es um uns Deutsche
    geht. Wer hätte nicht schon mal gestutzt und sich ratlos am
    Kopf gekratzt bei dem Versuch, die Deutschen korrekt zu
    beugen?
    Das Elend beginnt schon im Singular. Ein Deutscher fliegt
    nach Afrika. Dort ist er »der Deutsche«. Wo ist plötzlich das
    »r« abgeblieben? Haben es die afrikanischen Zöllner konfis-
    ziert? Nein − der Deutsche hat es sich selbst abgeschnitten,
    beim Wechsel vom unbestimmten (»ein«) zum bestimmten
    (»der«) Substantiv. Typisch deutsch: Eine solche Zickigkeit
    können nur wir uns leisten. Der Däne bleibt Däne, auch

    wenn es»ein Däne«heißt, und der Franzose bleibt Franzose,
    auch wenn er als »ein Franzose« vorgestellt wird. Aber der
    Deutsche beansprucht zwei Formen im Singular.
    Das liegt daran, dass er im Unterschied zu den Herren aller
    anderen Länder aus einem Adjektiv entstanden ist. Nicht aus
    Erde wie Adam, nicht aus Lehm wie der Golem und nicht
    aus Holz wie Pinocchio, sondern aus einem kleinen
    Eigenschaftswort. So wie ein Blinder der Blinde heißt, weil er
    blind ist, und ein Alter der Alte, weil er alt ist, so heißt ein
    Deutscher der Deutsche, weil er deutsch ist. Während andere
    Völker nach ihrem Land benannt sind, handelt es sich beim
    Deutschen um ein substantiviertes Adjektiv. Der Deutsche
    befindet sich geografisch in Nachbarschaft zu Dänen, Polen,
    Niederländern und Tschechen, grammatisch aber befindet er
    sich in Gesellschaft von Untergebenen, Angestellten und
    Gefangenen, lauter Bezeichnungen, die ebenfalls aus
    Adjektiven hervorgegangen sind. Und substantivierte
    Adjektive scheinen nicht als vollwertige Hauptwörter zu
    gelten, jedenfalls werden sie wie Adjektive dekliniert. Daher
    der auffällige Wechsel von »-e« zu »-er«.
    Kein Wunder, dass es mit der »Weltherrschaft« der Deut-
    schen nicht geklappt hat, wenn nicht mal unsere eigene
    Grammatik uns als »echte Hauptwörter« anerkennt und uns
    stattdessen wie aufgepumpte Wie-Wörter behandelt. Wäre
    der Deutsche nicht aus einem Adjektiv hervorgegangen,
    sondern vom Namen seines Landes abgeleitet (so wie der
    Österreicher von Österreich und der Engländer von Eng-
    land), dann hießen wir heute womöglich »Deutschländer«
    und wären lauter arme kleine Würstchen. Dann doch lieber
    ein Adjektiv.
    Auch für die weibliche Form lässt sich eine

Weitere Kostenlose Bücher