Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2
vom Fernsehsessel aus, unfähig, sich selbst zu erheben,
und leider auch unfähig, die korrekte Imperativform zu bil-
den. »Helf dir selbst, dann hilft dir Gott«, lautet ein oft ge-
sagter Rat; »nehm nicht immer nur, sondern geh auch mal
was!«, hat schon so mancher einem Mitmenschen ans Herz
gelegt. Da denkt man im Stillen: Gib auf deinen Ausdruck
Acht und hilf deiner Grammatik auf die Sprünge!
Wer sich mit Imperativen wie »Dresche!«, »Trete!«
»Schmelze!« und »Treffe!« zufrieden gibt, wird es im Leben
nicht weit bringen. Anders derjenige, der sich an die weisen
Worte hält: »Drisch das Korn! Tritt den Balg! Schmilz das
Erz! Triff keine übereilten Entscheidungen!« Denn seine
Stadt wird im Wirtschaftssimulationsspiel zu Wohlstand und
Blüte gelangen.
Nun fei(e)r(e) mal schön!
Frage eines Lesers: Ich streite derzeit mit einem Bekannten
über die Frage, was nun richtig ist: »Feiere deinen Ge-
burtstag« oder »Feier deinen Geburtstag« oder »Feier’ dei-
nen Geburtstag«? Können Sie’s mir sagen?
Antwort des Zwiebelfischs: »Feiere« ist zweifellos der
korrekte Imperativ. Bei Verben auf -ein und -ern wird der
Imperativ Singular mit -e gebildet. Allerdings kann dabei das
unbetonte »e« in der Wortmitte wegfallen: »Sammle die
Hefte ein!« statt »Sammele die Hefte ein«, »Schmettre den
Ball in die linke Ecke!« statt »Schmettere den Ball in die
linke Ecke!« − Daher erlaubt die Hochsprache neben »Feiere
deinen Geburtstag« auch »Feire deinen Geburtstag«.
In der Umgangssprache fällt heute zumeist das »e« am
Wortende weg: Aus »feiere« wird »feier«, aus »sammele«
wird »sammel«, aus »wickele «wird »wickel«. Mein Gramma-
tikbuch aus dem Jahre 1995 sieht diese Formen gar nicht
vor, daher galten sie wohl − zumindest vor zehn Jahren −
noch nicht als salonfähig.
Das könnte sich inzwischen geändert haben. Zumindest im
norddeutschen Raum wird niemand daran Anstoß nehmen,
wenn Sie ihn auffordern:»Nun feier mal schön deinen
Geburtstag!« Auf einer teuren Glückwunschkarte ist aber
nach wie vor die vollständige Form »feiere« zu bevorzugen.
Denn wer 2,95 Euro für eine hübsch bedruckte Karte aus-
gibt, der sollte nicht plötzlich am »e« sparen.
Falsch ist allein die Form mit Apostroph (feier’). Beim
Wegfall des Endungs-»e« wird nie ein Apostroph gesetzt,
auch nicht im Imperativ.
Das gefühlte Komma
Dass die Orthografie nicht jedermanns Sache ist, ist bekannt. Noch
weniger Freunde aber hat die Zeichensetzung. Die meisten Kommas
werden nicht nach Regeln, sondern nach Gefühl gesetzt. Und Ge-
fühle können trügen. Schlimmer als fehlende Kommas sind Kommas
an Stellen, wo sie nicht hingehören. Und davon[,] gibt es leider
sehr viele.
»Aus gegebenem Anlass, erinnere ich Sie erneut daran, dass
das Aufrufen von Internet-Seiten mit pornografischen In-
halten während der Dienstzeiten nur im Notfall gestattet
ist.« So steht es in einer Rund-Mail zu lesen, die der Chef ei-
nes Hamburger Unternehmens kürzlich an seine Mitarbeiter
verschickte. Und dies ist, allerdings, ein Notfall!
Denn da hat sich ein Vorgesetzter in verantwortungsvol-
ler Mission völlig unprofessionell von seinen Gefühlen hin-
reißen lassen und ein Komma aus dem Bauch heraus gesetzt!
Ganz gleich, wie der »Anlass« ausgesehen haben mag,
der ihn zu seiner E-Mail inspirierte, es gibt keinen Grund,
ihn mittels eines Kommas vom Rest des Satzes abzutren-
nen. Die drei Wörter »Aus gegebenem Anlass« bilden kei-
nen Nebensatz, und es handelt sich auch nicht um eine
nachgestellte Erläuterung oder einen Einschub. Tatsächlich
ist »Aus gegebenem Anlass« eine adverbiale Bestimmung
und gehört als solche zum Hauptsatz.
Adverbiale Bestimmungen nennt man diese vielen klei-
nen Zusatzinformationen im Satz, die etwas über Art und
Weise, Ort, Zeitpunkt und Grund einer Handlung aussagen
und mit »wie«, »wo«, »wann« und »warum« erfragt werden
können. Da sie nicht nur aus einzelnen Wörtern, sondern
auch aus ganzen Wortgruppen bestehen können, werden
sie häufig mit Nebensätzen verwechselt. Man fühlt, dass
hier vielleicht womöglich irgendwie ein Komma hingehören
könnte − und schon ist es passiert. Das geschieht zum
Beispiel besonders häufig bei Sätzen, die mit »nach« begin-
nen:
»Nach endlosen Debatten und immer neuen Änderungs-
vorschlägen, gaben die Vermittler schließlich erschöpft auf
und verließen die
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