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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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der Endung -owe, -ouwe (Aue, Fluss) weiblich.
    Maas und Mosel waren bereits im Lateinischen weiblich
    (Mosa und Moseila) und blieben es auch im Deutschen. Der
    Neckar wurde vermutlich aufgrund seines stürmischen Laufs
    als männlich empfunden, der Name geht zurück auf das
    ureuropäische Wort nik, das »losstürmen« bedeutet. Je-
    denfalls hatte man ihm bereits in vorchristlichen Zeiten die
    männliche Endsilbe -ros verpasst: Nikros wurde über Nica-
    rus und Neccarus zu Necker und schließlich Neckar.
    Die französischen Flüsse sind übrigens keineswegs alle
    weiblich, weder im Deutschen noch im Französischen. Die
    Rhone zum Beispiel heißt auf Französisch »le Rhone«. Und
    unser »Vater Rhein«, der ja streckenweise auch ein französi-
    scher Fluss ist, ist auch im Französischen männlichen Ge-
    schlechts: le Rhin.
    Wer auf einen ihm unbekannten deutschen Flussnamen
    stößt und folglich nicht weiß, ob es sich um einen männ-
    lichen oder weiblichen Namen handelt, der wird sich ver-
    mutlich für den weiblichen Artikel entscheiden. Die Wahr-
    scheinlichkeit ist groß, dass er damit richtig liegt. Denn es
    gibt erheblich mehr weibliche als männliche Flüsse in
    Deutschland. Von 72 deutschen Flüssen mit einer Länge von
    mehr als hundert Kilometern sind lediglich acht männlich,
    nämlich der Rhein, der Main, der Inn, der Neckar, der Lech,
    der Kocher, der Regen und der Rhin.

    Falsche Freunde

    Hollywood-Stars, die Ungeheuer erschaffen, explodierende Boiler,
    die zu Schiffskatastrophen führen, schwerer Drogenmissbrauch in
    einem US-Krankenhaus und wie Bernadette Chirac Hillary Clinton
    beleidigte. Ohne die täglichen Übersetzungsfehler wäre unser Le-
    ben nur halb so aufregend.
    Da heutzutage die meisten Nachrichten von internationaler
    Relevanz aus englischsprachigen Quellen stammen, besteht
    die Arbeit von deutschen Journalisten zu einem großen Teil
    aus Übersetzen. Vielen fällt es dabei schwer, sich von der
    englischen Vorlage zu lösen, sie kleben am Originaltext und
    übersetzen Wort für Wort, ohne sich zu fragen, ob man das
    im Deutschen so überhaupt sagen kann. So kommt es bis-
    weilen zu kuriosen Missverständnissen und äußerst eigen-
    willigen Wortschöpfungen.
    Seit den schrecklichen Geschehnissen des 11. Septembers
    2001 hat bei uns ein Wort eine unbeschreibliche Renaissance
    erlebt, das bis dato als altmodisch galt und in der Mot-
    tenkiste der Militärsprache vor sich hin staubte: die Attacke.
    Früher nahm dabei vor unserem geistigen Auge allenfalls ein
    Offizier in einer bunten Uniform mit Helm und Federbusch
    Gestalt an, der mit blank gezogenem Säbel den Angriff
    befiehlt, seinem Pferd die Sporen gibt und wie ein
    Wahnsinniger drauflosreitet. Eine Szene, wie man sie in
    Dutzenden von Historienfilmen gesehen hat. Attacken
    wurden gern geritten, und zusammen mit der Kavallerie ist
    auch das Wort aus der Mode gekommen. Jedenfalls im
    Deutschen. Im Englischen hat das Wort »attack« nichts Alt-
    modisches, es ist die übliche Vokabel für Angriff, Anschlag,
    Anfall, Überfall, Beschuss und für scharfe Kritik. So sprach
    man in den englischsprachigen Medien nach dem 11. Sep-

    tember ganz selbstverständlich von »terror attack«. Offenbar
    aber war die deutschsprachige Presse von den Anschlägen
    derart überwältigt, dass sie das Übersetzen vergaß.
    Möglicherweise wurde dieser Umstand durch die Tatsache
    begünstigt, dass einer der Flugzeugentführer Mohammed
    Atta hieß. Jedenfalls ist seit diesem Tag das Wort »Terror-
    Attacken« in aller Munde, und auch die Zahl der »Herzatta-
    cken« hat wieder zugenommen (während die der Herzin-
    farkte deutlich zurückging).
    Erinnern Sie sich noch an den schlimmen Unfall des Ma-
    giers Roy Horn, der im Oktober 2003 auf der Bühne von ei-
    nem weißen Tiger angefallen und schwer verletzt wurde?
    Prompt war natürlich in deutschen Zeitungen von einer »Ti-
    ger-Attacke« die Rede. Aber das Empörendste an der Ge-
    schichte: Die Ärzte versetzten den armen Roy mit Drogen
    in ein künstliches Koma. So konnte man es lesen. Und man
    wunderte sich: In den USA ist nicht mal Haschisch legal,
    und Roy wird mit Drogen voll gepumpt? Geht das mit rech-
    ten Dingen zu? Das englische Wort »drugs« steht in erster
    Linie für Medikamente. Die engere Bedeutung »Drogen«,
    »Rauschmittel« gibt es im Englischen zwar auch, doch die
    war sicherlich nicht gemeint, als die Ärzte um das Leben des
    Las-Vegas-Stars kämpften.
    Übersetzungsfaulheit ist

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