Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2
Begriffen, also Dingen, die man nicht sehen
oder anfassen, wohl aber fühlen oder sich vorstellen kann:
beispielhaft, dauerhaft, ekelhaft, fabelhaft, geisterhaft,
glaubhaft, krankhaft, lebhaft, massenhaft, rätselhaft, sagen-
haft, schauderhaft, schemenhaft, schleierhaft, schmerzhaft,
zauberhaft
Adjektive, die von konkreten Begriffen abgeleitet werden
(und was könnte konkreter sein als Materialien?), haben
hingegen auch eine sehr konkrete Endung, nämlich -en,
-ern oder -n:
blechern, eisern, erzen, gläsern, golden, hölzern, irden,
kupfern, ledern, papieren, samten, silbern, stählern, steinern,
tönern, wächsern, wollen
Freilich gibt es Ausnahmen, aber die Produkte, die ein Pa-
pierwarengeschäft verkauft, sollten getrost papieren genannt
werden: papierene Dokumente, papierene Formulare. Man
kann es sogar noch kürzer sagen, nämlich in einem Wort:
Papierdokumente, Papierformulare.
Es gibt noch ein weiteres Argument, das gegen »papier-
haft« spricht: In der Endsilbe »-haft« klingt, ähnlich wie bei
»-artig«, ein vergleichendes »beschaffen wie« an. Etwas, das
»sagenhaft« ist, ist »wie eine Sage«, und was »wie ein Sche-
men« aussieht, erscheint uns schemenhaft. Produkte, die laut
Angaben des Herstellers »papierhaft« sind, wären dieser
Logik zufolge nicht aus Papier, sondern nur wie Papier, in
Wahrheit aber womöglich aus Kunststoff. Vielleicht sollte
man die Artikel, die als »papierhaft« gehandelt werden, noch
einmal sehr kritisch auf ihre Zusammensetzung prüfen.
Er steht davor, davor, davor − und nicht dahinter
Wann immer ein Minister in Bedrängnis gerät, liest man garantiert
irgendwo den Satz: »Der Bundeskanzler stellte sich demonstrativ
hinter seinen Minister.« Ein mutiger Schritt, soll man denken.
Doch wäre es nicht viel mutiger gewesen, wenn der Kanzler sich
vor seinen Minister gestellt hätte? Der Verdacht liegt nahe, dass
die Positionen verwechselt wurden.
Als vor einiger Zeit Korruptionsvorwürfe gegen das Ver-
kehrsministerium erhoben wurden, war in einer Radiomel-
dung zu hören, Bundeskanzler Gerhard Schröder habe sich
»hinter seinen Verkehrsminister gestellt«. Der Minister war
bestimmt sehr dankbar, dass der Kanzler ihn nicht »im Re-
gen stehen lassen« wollte − doch war die Stellungnahme des
Kanzlers wirklich hilfreich? Dort, wo sie erfolgte, also hinter
dem Minister. In seinem Rücken.
Schon Rudolf Scharping hat erfahren müssen, was es be-
deutet, wenn man mit dem Rücken zum Kanzler steht: »Die
Bundesregierung wies die Rücktrittsforderung als unbegrün-
det zurück. Bundeskanzler Gerhard Schröder stellte sich
hinter seinen Minister und sagte, in Scharpings Äußerungen
sei etwas ›hineingeheimnist‹ worden, was nicht ›hinein-
zugeheimnissen‹ sei«, stand 2001 im »Hamburger Abend-
blatt« zu lesen. Inzwischen ist Rudolf Scharping längst als
Verteidigungsminister abgelöst worden. Der Schutz von
hinten hat ihm nicht viel genützt.
Im Zuge der Karstadt-Krise war in der Presse Folgendes zu
lesen: »Auch Vorstandschef Christoph Achenbach soll an-
geblich zur Disposition stehen. Aufsichtsratschef Thomas
Middelhoff wies die Gerüchte umgehend zurück und stellte
sich demonstrativ hinter Achenbach.«Damit keine Missver-
ständnisse aufkommen: Weder Gerhard Schröder noch Tho-
mas Middelhoff haben sich in den beschriebenen Fällen un-
gebührlich verhalten. Es wurde nur falsch darüber berichtet.
Stellen wir uns das doch mal bildlich vor: Bad Segeberg,
2005. Eine Farmerfamilie gerät in einen bösen Indianerhin-
terhalt. Winnetou und Old Shatterhand kommen den Far-
mern zu Hilfe und stellen sich demonstrativ hinter sie. Die
Indianer lassen sich davon aber nicht beeindrucken und
greifen mit lautem Geheul an. Die Farmerfamilie wird von
Kugeln durchsiebt, und auf der Flucht ruft Old Shatterhand
seinem Blutsbruder zu: »Das wäre um ein Haar ins Auge ge-
gangen! Ein Glück, dass wir uns nicht vor die Leute gestellt
haben!« Ist das etwa der Stoff, aus dem Heldenlegenden ge-
macht werden? Natürlich nicht. Wenn man eine Person, die
angegriffen wird, schützen will, so stellt man sich vor sie.
Worin bestünde sonst der Schutz?
Die»WAZ«schrieb in einem Bericht über das Auf und Ab
in der Bezirksliga: »Trainer Thomas Strauch stellte sich hin-
ter sein Team.« Da fragt man sich doch: Woher wusste die
»WAZ« das? Sie konnte den Trainer doch unmöglich selbst
gesehen haben! Wenn er sich
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