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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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eines der gravierendsten Stilpro-
    bleme unserer Zeit. Nicht immer ist der Fehler so klar erkenn-
    bar wie im Falle von »Silicon«, das oft fälschlich mit Silikon
    übersetzt wird: »Sieben Jahre nach dem Boom der pflegebe-
    dürftigen Kleincomputer kommt nun eine zweite Genera-
    tion der Silikonküken auf den Markt«, hieß es in einem Be-
    richt über die aus Japan importierte Landplage namens
    Tamagotchi. Silikon ist ein Stoff, mit dem normalerweise Ba-
    dewannen abgedichtet und Frauenbrüste auf ein augenfälli-
    ges Format gebracht werden. Die kleinen Tamagotchi-Nach-
    kommen sind aber nicht aus Silikon, sondern aus Silizium.

    Erstaunlich unsensibel reagieren viele Menschen auch im
    Umgang mit dem englischen Wort »sensitive« (= sensibel,
    feinfühlig, empfindlich). Da erregt sich zum Beispiel ein
    Energie-Experte der SPD über den geplanten Export der Ha-
    nauer Atomfabrik nach China mit den Worten: »Wenn es
    überhaupt je einen Grund gibt, einen Export zu untersagen,
    dann bei sensitiver Atomtechnologie.« Das Wort »sensitiv«
    gibt es im Deutschen zwar auch, doch hat es die Bedeutung
    »leicht reizbar« und wird hauptsächlich von Nervenärzten
    verwendet. Was der Energie-Experte tatsächlich meinte, war
    »sensible Atomtechnik«.
    In einem Bericht, in dem es um die Fettleibigkeit der Ame-
    rikaner ging, war zu lesen:»Allzu große Anstrengungen will
    der Minister seinem Volk nicht zumuten. Es sei nicht nötig,
    Marathon zu laufen oder einem Gesundheitsclub beizutre-
    ten.« Die Augen sind schon längst im nächsten Absatz, da
    kreiselt das Wort »Gesundheitsclub« noch immer im Kopf
    herum und verursacht ein befremdliches Geräusch. Bis es
    plötzlich »Klack!« macht und man erkennt: Im Originaltext
    war offenbar von einem »health club« die Rede, und das ist
    nichts anderes als ein ganz gewöhnliches Fitness-Studio!
    »Gesundheitsclub« ist fraglos eine irreführende Überset-
    zung.
    Im Fachjargon spricht man von »falschen Freunden«, wenn
    ein wörtlich übersetzter Begriff scheinbar passt (so wie
    silicon/Silikon), in Wahrheit aber etwas ganz anderes
    bedeutet und somit also das Ziel verfehlt. Eines der bekann-
    testen Beispiele hierfür ist die englische »billion«, die von
    deutschen Journalisten regelmäßig mit »einer Billion« wie-
    dergegeben wird, wodurch der amerikanische Haushalt jedes
    Mal zu immenser Größe aufgebläht wird, neben der selbst
    Dagobert Duck arm aussieht. Die englische »billion«
    entspricht im Deutschen tatsächlich aber nicht mehr als einer
    Milliarde.

    »Solana drückte seine tiefe Sympathie für diejenigen aus, die
    bereits Zielscheibe von Angriffen geworden waren«, war im
    Zusammenhang mit einer Serie von Briefbombenanschlägen
    zu lesen. Immerhin hatte der Übersetzer auf den Begriff
    »Briefbombenattacken« verzichtet, wofür man heutzutage ja
    schon dankbar sein muss. Aber drückt man auf Deutsch den
    Opfern seine Sympathie aus? Ist es nicht eher Mitgefühl,
    Beileid oder Bedauern? Schlag nach bei Shakespeare oder
    wenigstens bei Leo, und siehe da: Das englische Wort
    »sympathy« bedeutet neben Zuneigung und Wohlwollen
    auch Mitleid, Mitgefühl und Anteilnahme. Es kommt eben
    auf den Zusammenhang an, und über den sollte sich jeder im
    Klaren sein, ehe er sich ans Übersetzen macht.
    Ein falscher Freund versteckt sich auch in diesem Beispiel:
    »Das schwerste Unglück in der Geschichte des New Yorker
    Fährbetriebs ereignete sich 1871, als auf einem Schiff ein
    Boiler explodierte. Damals wurden mehr als 125 Menschen
    getötet.« Natürlich ist damals nicht ein Heißwasserspeicher
    explodiert, wie er üblicherweise in Badezimmern hängt,
    sondern ein Dampfkessel. Im Englischen heißt Boiler näm-
    lich auch das, im Deutschen nicht.
    Etwas anderes muss dem Hollywood-Star Ben Affleck ex-
    plodiert sein, denn laut eines Klatschspalten-Berichts soll er
    das Scheitern seiner Beziehung mit Jennifer Lopez mit fol-
    genden Worten erklärt haben: »Wir haben ein Monster
    kreiert!« Haben die beiden also doch noch Nachwuchs be-
    kommen? Oder sich erfolgreich als Nachfolger Dr. Franken-
    steins versucht? Im Originallaut hat Ben Affleck tatsächlich
    gesagt: »We created a monster«, aber das bedeutet im Deut-
    schen nichts anderes als »Die Sache ist uns aus dem Ruder
    gelaufen« oder »Wir haben die Kontrolle verloren«. Der
    Ausdruck »ein Monster kreieren« ist im Deutschen keine
    Redewendung, die als Metapher funktioniert. Folglich muss
    man sich vom englischen

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