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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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»Michilin-
    burg«, wie man im 11. Jahrhundert sagte, bedeutete also
    »große Burg«. Die befand sich im Süden von Wismar und
    gab dem umliegenden Land seinen Namen. Im Niederdeut-
    schen des Mittelalters sprach man es »Mekelenborch« aus;
    irgendwann ist das zweite »e« dann ausgefallen, und übrig
    blieb »Meklenburg«, gesprochen »Meeklenborch«.
    Unsere Schriftsprache kennt zwei Möglichkeiten, um die
    Dehnung eines Vokals zu markieren: Entweder wird der Vo-
    kal verdoppelt (aa, ee, oo) oder von einem Dehnungsbuch-
    staben begleitet. Heute gibt es als Dehnungsbuchstaben nur
    noch das »h« (wie in Mehl, Bohne, Fahrer) und, hinter dem
    »i«, das »e« (wie in Liebe, Tiere, Miete). Früher konnte das
    »e« auch hinter einem »o« stehen, wenn dieses »o« lang
    gesprochen wurde: Ortsnamen wie Soest, Oldesloe, Coesfeld
    und Itzehoe zeugen noch heute davon. Kein Norddeutscher
    käme auf die Idee, dieses »oe« als »ö« auszusprechen.
    Auch das »c« im Wort Mecklenburg war ursprünglich ein
    Dehnungszeichen. Unglücklicherweise fiel es mit jenem

    Platzhalter zusammen, der im Hochdeutschen das verdop-
    pelte »k« ersetzt und phonetisch genau das Gegenteil be-
    wirkt, nämlich den Vokal verkürzt. Das Wissen um die tat-
    sächliche Länge des »e«-Klangs im Namen Mecklenburg geht
    langsam verloren. Selbst junge Mecklenburger »meckern«
    heute, anstatt zu »mekeln«. Ein Fehler ist das aber nicht,
    denn beide Ausspracheweisen gelten heute als richtig. Auch
    in einigen plattdeutschen Dialekten wird Mecklenburg mit
    kurzem »e« gesprochen.
    Das Dehnungs-c findet man noch in vielen anderen nord-
    deutschen Namen, die traditionell mit langem Vokal ge-
    sprochenwerden : Schönböcken (gesprochen: Schönbööken),
    Bleckede (gesprochen: Bleekede). Auch Lübeck, das im 12.
    Jahrhundert noch Lübeke hieß, besaß einst ein langes »e«.
    Und der Name der berühmten Lübecker Buddenbrooks geht
    zurück auf den pommerschen Ortsnamen Buddenbrock. Um
    zu verhindern, dass alle Welt seine Romanfamilie mit kurzem
    »o« spricht, hat Thomas Mann sich für die (untypische, aber
    unmissverständliche) Schreibweise mit Doppel-o entschieden.
    Auch Namen wie Brockhaus und Brockmann wurden früher
    mit langem »o« gesprochen.
    Ein weiteres Beispiel für das norddeutsche Dehnungs-c
    liefere ich übrigens selbst. Der norddeutsche Name Sick leitet
    sich nämlich von Siegfried ab und wurde lange Zeit ent-
    sprechend mit langem »i« gesprochen. Alteingesessene
    Norddeutsche sprechen ihn auch heute noch so aus: »Moin,
    Herr Sieeek!«
    Die umgangssprachliche Verkürzung »Meck-Pomm«, die
    das nordöstliche Bundesland klanglich in die Nähe eines
    Fastfoodprodukts befördert, ist scherzhaft, aber keineswegs
    herabwürdigend. Wir Deutschen sind schließlich ein durch-
    aus genussfreudiges und genießbares Volk: Man denke nur
    an Frankfurter (Würstchen), Berliner (Pfannkuchen), Ham-
    burger (Frikadellen) und Thüringer (Bratwurst).

    Und täglich berichten die Kreise

    Wir alle haben schon oft gehört oder gelesen, dass jemand in be-
    stimmten Kreisen verkehrt, und gelegentlich sieht man auch, wie
    sich jemand im Kreisverkehr verfährt. So etwas lässt sich erklären.
    Doch was zum Teufel hat es mit all den vielen Kreisen auf sich, aus
    denen ständig und immerzu zitiert wird?
    Kaum schlägt man die Zeitung auf oder ruft seine Lieblings-
    nachrichtenseite im Internet auf, schon stolpert man über
    sie: Regierungskreise, Unternehmenskreise, Militärkreise,

    Führungskreise − Kreise, wohin das Auge blickt. Kreise in
    allen Formen und Größen. Selbst vor Kardinalskreisen und
    Rebellenkreisen ist man nicht sicher.
    Kreise sind die Kronzeugen des Zeitgeschehens. Was im-
    mer in Politik und Gesellschaft getuschelt, gemunkelt, ge-
    klatscht und spekuliert wird − die Nachrichtenwelt erfährt es
    meistens aus irgendwelchen Kreisen.
    Wie entstehen solche Kreise? Zum Beispiel so: Ein Reporter
    ruft einen Staatssekretär an, um ihm eine Stellungnahme zu
    einem brisanten Thema zu entlocken. Der Staatssekretär
    salbadert in gewohnter Manier drauflos, redet sich richtig
    schön in Fahrt, lässt sich zu leichtsinnigen Äußerungen
    hinreißen, beleidigt seine politischen Gegner und gibt wo-
    möglich parteiinterne Geheimnisse preis − und wenn der
    Reporter fragt: »Kann ich das zitieren?«, dann lautet die
    Antwort: »Aber halten Sie meinen Namen raus! Das haben
    Sie nicht von mir, haben Sie mich verstanden?« Da es sich
    der Reporter mit

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