Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition)
Arzt«, stöhnt sie, »der hat mir wieder ein Antibiotika verschrieben. Dabei ist doch genug davon im Schweinefleisch. Die pumpen die armen Viecher doch voll mit ihren Pharmakas.« Die Tochter, ernährungsbewusste Chemielaborantin, blickt ihre Mutter voller Mitleid an und sagt: »Es heißt Pharmaka. Und Antibiotikum. Antibiotika ist die Mehrzahl!« – »Mehr zahlen muss ich außerdem dafür«, erwidert die Mutter und setzt noch einen beliebten Plural obendrauf: »Volle zehn Euros!«
Wenn Fremdwörter sich lange genug im Land aufhalten,
werden sie irgendwann nicht mehr als fremd empfunden. Den häufig gebrauchten Wörtern gelingt es in der Regel, sich zu assimilieren: Sie nehmen deutsche Schreibweisen an und erhalten deutsche Endungen.
Das lateinische Wort »focus« (das ursprünglich »Herd«, »Feuerstelle« bedeutete) ist im Deutschen zum Fokus (= Brennpunkt) geworden, die Mehrzahl, die im Lateinischen noch »foci« lautet, heißt im Deutschen Fokusse. Der Plural des berühmten Kommas darf sich neben der wissenschaftlichen Form »Kommata« längst Kommas nennen, und »mehrere Atlanten« sind auf Deutsch inzwischen auch als »mehrere Atlasse« zu haben.
Manche Fremdwörter assimilieren sich sogar doppelt, sodass sie am Ende mehrere gültige deutsche Formen vorweisen können: So erging es zum Beispiel der Pizza, die analog zu anderen mit einem Vokal endenden Wörtern wie Auto, Kino, Tipi, Lady, Rikscha zunächst ein Plural-s erhielt. Es zeigte sich, dass die Deutschen derart vernarrt in die Pizza waren, dass das Wort einen weiteren Anpassungsschritt vollzog. Die Mehrzahl erhielt eine typisch deutsche Endung auf -en, wie man sie von Frauen, Herren, Affen und Läusen kennt. Seitdem schwirren die beliebten »Mafiatorten« bei uns sowohl als Pizzas als auch als Pizzen herum.
Problematische Fremdwörter in Einzahl und Mehrzahl
Agenda
Agenden
Album
Alben
Antibiotikum
Antibiotika
Apostroph
Apostrophe
Atlas
Atlanten, Atlasse
Causa
Causae
Chaos
– (unzählbar)
Corpus Delicti
Corpora Delicti
Datum
Daten
Dementi
Dementis
Exitus
– (unzählbar)
Fauxpas
Fauxpas
Forum
Foren, Fora (lat.)
Genus
Genera
Globus
Globen, Globusse
Grand Prix
Grands Prix
Humus
– (unzählbar)
Index
Indizes, Indexe
Internum
Interna
Kaktus, Kaktee
Kakteen
Kasus
Kasus
Klima
Klimata, Klimas (selten), Klimate (fachspr.)
Kodex
Kodizes, Kodexe
Komma
Kommata, Kommas
Lapsus
Lapsus
Lexikon
Lexika, Lexiken
Liga
Ligen
Modus
Modi
Niveau
Niveaus (»niveaux« nur frz.)
Nomen
Nomina, Nomen
Opus
Opera
Passus
Passus
Periodikum
Periodika
Perpetuum mobile
Perpetua mobilia
Pharmakon
Pharmaka
Plenum
Plenen
Praktikum
Praktika
Schema
Schemata, Schemas, Schemen (selten)
Semikolon
Semikola, Semikolons
Status
Status
Szenario
Szenarios
Szenarium
Szenarien
Thema
Themata, Themen
Tonikum
Tonika
Topos
Topoi
Turnus
Turnus, Turnusse
Universum
Universen
Visum
Visa, Visen
Vita
Viten, Vitae (lat.)
Eine vitale Rolle
Hat jemand schon mal die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA vor allem deshalb so angespannt ist, weil wir die Amerikaner einfach nicht richtig verstehen? Nicht immer hapert’s mit der Diplomatie, manchmal hapert’s einfach nur mit der Übersetzung.
Kurz nach dem Sturz Saddam Husseins rauschte die Aussage George W. Bushs durch den deutschen Blätterwald, der UNO solle beim Wiederaufbau des Irak »eine vitale Rolle« zukommen. Immer und immer wieder war das zu hören, in den Fernsehnachrichten, im Radio, jeder plapperte es nach, die mysteriöse Kunde verbreitete sich über sämtliche Kanäle und Vertriebswege. »A vital role« hatte der amerikanische Präsident der UNO anlässlich eines Treffens mit seinem britischen Waffenbruder Tony Blair in
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