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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition)

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition)

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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Adverbs als fragwürdiges Mittel zur Verschönerung ihrer Texte entdeckt. »Bestandteil des von Koch und Steinbrück verabredeten Konzeptes ist der schrittweise Abbau von Subventionen um zehn Prozent binnen der nächsten drei Jahre«, berichtete »Die Welt« im Zuge der Steuerreformdebatte.
    Der falsche Umgang mit dem Umstandswort wird auch nicht besser, wenn man das deplatzierte Adverb dekliniert: »UN-Generalsekretär Kofi Annan hat einen klaren Zeitplan für einen schrittweisen Abzug der US-amerikanischen und britischen Besatzungstruppen aus Irak gefordert.« (»Frankfurter Rundschau«)
    Denn bis auf wenige Ausnahmen sind Adverbien unflektierbar, das bedeutet, sie können nicht gebeugt werden. Doch so unflektierbar die Adverbien, so flexibel die Masse der Schreiber und Redner, die es nicht lassen können, das Unbeugsame zu beugen:
    »Ben Artzi, der 16 Monate im Gefängnis verbracht hat, bezeichnete das Urteil als teilweisen Sieg.« (AP) Wie wäre es mit »Teilsieg«? Das ist nicht nur kürzer, sondern hört sich auch noch besser an.
    »Zahlreiche Unternehmen nutzten den zeitweisen Rückgang der Zinsen auf ein 45-Jahres-Tief, um günstig Geld am Kapitalmarkt einzusammeln.« (»Handelsblatt«)
    Den Grammaticus befällt ob solchen Stilbruchs ein zeitweiliges (!) Unbehagen. Zur partiellen (!) Beruhigung für alle Deutschen gereicht die Feststellung, dass es auch die Schweizer nicht immer besser machen. Die renommierte »Neue Zürcher Zeitung« schreibt zum Beispiel: »Die Städte fordern auch eine teilweise Abgeltung der einmaligen Umstellungskosten durch den Bund.« Ein Schweizer Immobilienexperte schießt den Vogel ab, beziehungsweise den Apfel vom Kopf. Er lässt sich mit den Worten zitieren: »Die privaten Veräußerer machen es sich schwer, den stellenweisen Minderwert ihres Besitzes zu realisieren.«
    Schuld ist wiederum der fatale Hang zur Substantivierung. Statt »Wir wollen einen schrittweisen Abbau der Schulden« könnte man zum Beispiel sagen: »Wir wollen die Schulden schrittweise abbauen.«
    Es wird die Zeit kommen, in der man sich vor haufenweisen Fehlern dieser Art nicht mehr retten kann, ebenso wenig wie vor stapelweisem Leergut im Keller und schachtelweiser Preiserhöhung für Zigaretten. Gepflegte Sprache ist nicht immer nur eine Frage des Stils, sondern manchmal auch eine der korrekten Art und -weise.

Streit und kein Ende
    Ach, diese ewigen Streitereien, dieses nicht enden wollende Hickhack, Gezerre und Gerangel um alles und jeden. Wer will das denn noch hören und mag davon noch lesen? Da empfiehlt sich eine radikale Streit-Diät. Ab sofort heißt es verschärft: diskutieren, debattieren, argumentieren und auseinander setzen.
    Landauf, landab wird nur noch gestritten. In der Politik und überhaupt im ganzen öffentlichen Leben gibt es keine Diskurse und keinen Meinungsaustausch mehr, sondern nur noch Streit. Wer morgens auf dem Weg zur Arbeit am Zeitungskiosk vorbeikommt, der kann nur noch den Kopf einziehen. Von sämtlichen Titelblättern schreit es auf ihn ein: Streit hier, Streit dort, Streit überall und immerfort!
    Eine Suche im digitalen Zeitungsarchiv nach dem Wort »Streit« in Überschriften der letzten sechs Monate führt zu einer ungewöhnlichen Fehlermeldung: »Mehr als 1000 Dokumente gefunden. Bitte schränken Sie die Suche weiter ein.« Auch in den letzten fünf, vier, drei Monaten gab es noch zu viel Streit. Erst eine Einschränkung auf die letzten vier Wochen liefert eine Textmenge, die das System bewältigen kann.
    Die Liste der Streite ist endlos: Vom Kopftuchstreit über den Stasi-Aktenstreit bis hin zum Currywurst-Streit – es wird gestritten, was das Zeug hält. Zeter und Mordio, hochrote Köpfe, erhobene Fäuste, wütendes Gekläff. Den Zeitungen nach zu urteilen, muss unsere Republik zutiefst zerrüttet sein. Überall verlaufen unüberwindbare Gräben der Zwietracht und des Hasses. Kaum hebt jemand den Finger und meldet eine neue Idee an, schon entbrennt ein weiterer Streit. Und selbst im Sommerloch, da streiten sie noch.
    Wie eine magische Beschwörungsformel liest man wieder und immer wieder die gleich gestrickte Einleitung: »Im Streit um die Steuerreform hat die CDU …«, »Im Streit um das Asylrecht hat die SPD …«, »Im Streit um den Einsatz deutscher Soldaten in Awacs-Flugzeugen hat Bundesverteidigungsminister Struck …«. Oder Sätze, die uns weismachen wollen, der Streit über dieses und jenes spitze sich zu, werde immer lauter, drohe gar zu eskalieren.
    Das

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