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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition)

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition)

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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verniedlicht. Ganz abgesehen davon, dass der Ausdruck »smoking gun« im Englischen als Metapher für einen »unumstößlichen Beweis« verwendet wird.
    Auf ihre Weise putzig war die Meldung der Nachrichtenagentur dpa, in der von »Kanonenwatte« die Rede war. Das Terrornetz al-Qaida arbeite an der Herstellung von Sprengsätzen auf Zellulose-Basis, hieß es da. Die Sprengsätze sollten mit einer Substanz namens Nitrozellulose hergestellt werden, die sehr leicht entflammbar sei und in geschlossenen Behältern eine explosive Wirkung habe. Diese Substanz werde auch »Kanonenwatte« genannt. Donnerwetter! Es dauerte nicht lange, da erhob sich ein Proteststurm von chemiekundigen Lesern, die darüber aufklärten, dass die angebliche »Kanonenwatte« auf Deutsch »Schießbaumwolle« genannt werde. Ein Blick ins Lexikon verschaffte Klarheit: »Schießbaumwolle«, auch »Schießwolle« oder Nitrozellulose genannt, ist eine altbekannte chemische Zusammensetzung aus Salpetersäure und Baumwolle. Also nichts mit Kanonen und Watte. Da wurde der englische Ausdruck »gun cotton« zu flauschig übersetzt. Schießbaumwolle wäre die korrekte deutsche Entsprechung gewesen.
    Traktoren, Propellergeschosse und Kanonenwatte – man kann nur hoffen, dass die Regierenden in Berlin ihre Entscheidungen über Kriegs- und Friedenseinsätze nicht auf Grundlage von übersetzten Agenturmeldungen fällen. Sollten Sie sich mit dem Gedanken tragen, demnächst in eine Krisenregion zu reisen, dann rüsten Sie sich gut! Nehmen Sie ein Englisch-Wörterbuch mit!

Schrittweise Zunahme der Adjektivierung
    Mit wachsender Besorgnis registrieren deutsche Sprachwächter ein Phänomen, das als illegale Adjektivierung von Umstandswörtern bezeichnet werden kann. Ausgehend von der Wirtschaft, hat es inzwischen auch Politik und Journalismus erfasst. Selbst der Bundeskanzler trägt zu seiner Verbreitung bei.
    Da sitzt man nichts Böses ahnend beim Frühstück, schlürft seinen Kaffee, blättert noch ein wenig schläfrig in der Zeitung, und dann auf einmal das: »EZB-Präsident Wim Duisenberg sagte auf der Pressekonferenz vorsichtig, dass eine schrittweise Zunahme des Wachstums in Richtung Potenzialwachstum das Hauptszenario der EZB darstelle.« Eine schrittweise Zunahme? Klingelt da nicht was? Aber hallo! In der Zentrale der deutschen Sprachpolizei schrillen in diesem Moment sämtliche Alarmglocken. Wörter, die auf -weise enden, gehören zur Familie der modalen Adverbien, auch Umstandswörter der Art und Weise genannt. Die Daseinsberechtigung von Adverbien besteht darin, Verben zu beschreiben, und nicht Nomen. Dafür gibt es die so genannten Adjektive, eine mit den Adverbien zwar unbestreitbar verwandte, aber dennoch andere Wortart. Adjektive haben den Adverbien vor allem eines voraus: Sie können als Attribute gebraucht werden, das heißt unmittelbar vor einem Hauptwort platziert werden. Der Roman ist mehrteilig – also ist er »ein mehrteiliger Roman«, und »mehrteilig« ist das Attribut. Die Zunahme erfolgt schrittweise, also handelt es sich um eine allmähliche, langsame, stetige Zunahme, aber nicht um eine schrittweise Zunahme.
    Würde es sich um einen Einzelfall handeln, wäre es ja nicht weiter schlimm. Duisenberg würde von der Sprachpolizei eine gebührenpflichtige Verwarnung erhalten und dürfte in seinem Vortrag fortfahren. Doch leider finden sich derartige Adverbialattacken zuhauf. Manager wie Politiker lieben gleichermaßen die großzügige Streuung von Wörtern der Art und der Weise, wo sie nicht hingehören.
    Ein unablässig sprudelnder Quell sind die Berichte von Vorstandsvorsitzenden auf Hauptversammlungen; da plätschert »die teilweise Zunahme« von Gewinnen in einem fort; da schäumt die »zeitweise Steigerung« des Kurses, dass einem ganz blümerant wird.
    Allen voran marschiert wieder einmal der Bundeskanzler: »Der schrittweise Abbau der unverantwortlich hohen Verschuldung, angehäuft von der Regierung Kohl, ist eine der großen Leistungen der Koalition«, sagte Schröder in einem Interview mit der »Freien Presse«, als erhöhte Neuverschuldung noch kein Thema war. Und »neue Modelle für eine stufenweise Ausbildung, um auch theorieschwachen Jugendlichen eine Berufsausbildung zu ermöglichen«, versprach der nordrhein-westfälische Wirtschafts- und Arbeitsminister Schartau vor Schülerpublikum. Da wurde der Schiefe Turm von PISA doch gleich noch ein bisschen schiefer.
    Längst haben auch die Journalisten die illegale Adjektivierung des

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