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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 3

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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imRuhrgebiet, wo man an so manches Gesprochene gern noch ein Wörtchen dranhängt, da wird das »bei« sogar noch verdoppelt, und die Aufforderung, näher zu rücken, wird dann zu: »Komm mal lecker bei mich bei!«
     
    Das Verwirrende an diesen »Bei«-Spielen ist, dass Fügungen wie »bei Mutti« oder »bei der Oma« nicht grundsätzlich der Standardgrammatik widersprechen. Schließlich heißt es korrekt: »Ich bin gern bei meiner Oma« oder »Bei Mutti schmeckt’s am besten«. Wenn die Person mit »wo« erfragt werden kann, dann ist »bei« die richtige Präposition. Die Verben »gehen« und »kommen« führen allerdings nicht zur Frage »Wo?«, sondern zur Frage »Wohin?« und können daher vor Personen nur mit »zu« gebraucht werden.
     
    In Süddeutschland kauft man »beim« Aldi oder »beim« Lidl. Das liegt daran, dass Namen dort prinzipiell mit Artikel gesprochen werden: der Franz, die Elisabeth, das Mariandl. Man geht vornämlich zum Alois, zum Michl und zur Christa, aber auch nachnämlich zum Hillgruber, zum Moosbauer und zum Obermayer – folglich auch zum Aldi und zum Lidl. Wer also gerade »beim« Spar war, »zum« Edeka will oder »vom« Rewe kommt, der drückt sich nicht etwa falsch aus, sondern typisch süddeutsch.
     
    Frau Jackmann kauft nicht bei Aldi, auch nicht beim Aldi, sondern im Aldi. Vermutlich würde sie argumentieren, dass Aldi ein Supermarkt sei, und schließlich heiße es »im Supermarkt«, also müsse man auch »im Aldi« sagen können. »Es heißt zwar ›alles im Eimer‹, aber eben nicht ›alles im Aldi‹«, bliebe mir nur zu erwidern. Immerhin kauft Frau Jackmann nicht »inne Aldi«, das sagt man in einigen Gegenden nämlich auch, und manch einer geht sogar »nach ’m Aldi hin«.
    Dass Ausländer sich angesichts solcher Probleme mit deutschen Präpositionen besonders schwertun, ist nur allzu verständlich. Die junge Generation deutscher Türken (oder türkischer Deutscher) hat in ihrem hinreißenden Jargon das Problem auf ganz einfache, klare Weise gelöst: Vor Aldi, Lidl und anderen Geschäften steht überhaupt keine Prä- position mehr. Der Streit über »nach« oder »zu« ist hinfällig: »Musste noch Lidl?«, heißt es zum Beispiel voll krass, und: »Nö, ich war gerade Aldi!« Frau Jackmann findet das ganz schauderhaft: »Wer so redet, der findet doch nie im Leben eine Arbeit. Nicht mal als Packer im Aldi.«
     
    Einen Fall gibt es freilich, in dem man »nach Aldi« sagen kann, ohne dabei die Standardgrammatik zu verletzen. Wenn es nämlich heißt: Ich geh nach Aldi noch zu Lidl.
    7 Sofern der Ländername sächlichen Geschlechts ist und ohne Artikel gebraucht wird. Männliche, weibliche und pluralische Ländernamen stehen mit der Präposition »in«: in die Schweiz, in den Irak, in die Niederlande.

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    Unsinn mit Ansage
    Wer viel reist, der kann was erleben. Er bekommt viel Interessantes zu sehen – und viel Seltsames zu hören. Vor allem, wenn er mit dem Zug fährt. Lautsprecherdurchsagen der Bahn geben den Reisenden immer wieder Rätsel auf.
    Schon in Köln hatte es geheißen: »Der ICE 611 von Dortmund nach München über Frankfurt, Mannheim, Stuttgart trifft in der Ankunft voraussichtlich fünf Minuten später ein.« Eine faszinierende Formulierung, die- ses »trifft in der Ankunft ein«. Man findet sie zwar in keinem Wörterbuch, aber ich beschließe, sie trotzdem in meinen aktiven Wortschatz aufzunehmen. Wenn ich das nächste Mal gefragt werde, wann mit meinem Erscheinen zum Essen zu rechnen sei, so werde ich erwidern: »Ich schätze mal, ich werde pünktlich in der Ankunft eintreffen!«
     
    Weitere zehn Minuten später trifft der Zug dann tatsächlich ein: »Auf Gleis drei erhält jetzt Einfahrt der verspätete ICE 611 nach München, die Ankunft war 13:24 Uhr.« Auch diese Formulierung hat es in sich. Man kann sagen: Die Ankunft war lang ersehnt, oder: Sie war von Tumulten begleitet – aber sie »war 13:24 Uhr«? Gemeint ist freilich die geplante (»planmäßige«) Ankunftszeit. Aber Verkürzungen gehören zum Sprachalltag, das gilt auch für Lautsprecherdurchsagen. Jeder kennt Ankündigungen im folgenden Stil: »Nächster Halt: Hähnlein-Alsbach. Bitte in Fahrtrichtung links aussteigen!« Und manch einer hat sich vielleicht schon die Frage gestellt, warum er aufgefordert wird, in Hähnlein-Alsbach auszusteigen.
     
    »Achtung! Ein Hinweis für die Reisenden auf Bahnsteig 4: Der Regionalexpress nach Wattenscheid, planmäßige Abfahrt 14:29 Uhr, fährt

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