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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 3

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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Deutscher selbst hat zu seinem Hit übrigens nur eine einzige Zeile beigetragen: Dam dam, dam dam. Den Rest besorgten der Textdichter Rudolf-Günter Loose und der Komponist Christian Bruhn. Letzterer ist nicht nur der Schöpfer zahlloser Erfolgsmelodien, sondern selbst ein ausgewiesener Sprachliebhaber; bisweilen hat er heftig mit seinen Textdichtern um die eine oder andere Zeile, die ihm nicht ganz sauber erschien, gerungen. Umso ärgerlicher empfand er den Vorwurf, dass ausgerechnet der Titel seines größten Erfolges (eben »Marmor, Stein und Eisen bricht«) einen Fehler enthalten solle. Die Liedzeile ging zurück auf einen alten Poesiealbumvers: »Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Freundschaft nicht«. Bruhn und Loose hatten ihn lediglich ein wenig abgewandelt und schlagertauglich gemacht. Das schien die Kritiker aber nicht zu interessieren. In Bayern war das Lied sogar verboten. Aufgrund der angeblich falschen Grammatik durfte es im Bayerischen Rundfunk nicht gespielt werden. Aus heutiger Sicht unvorstellbar, welch hohe Wellen ein harmloses Lied damals schlagen konnte. Konsequenterweise hätten die Bayern das Vaterunser gleich mit verbieten müssen, heißt es darin doch: »Denn Dein ist das Reich und die Kraft und Herrlichkeit in Ewigkeit« und nicht etwa »Denn Dein sind das Reich und die Kraft und Herrlichkeit in Ewigkeit«.
    Unter Verweis auf die obigen Beispiele stellte Bruhn fest, dass in bestimmten Fällen eben auch der Singular vorkommt, und gab diesem auch gleich einen fachsprachlichen Namen: Singularis materialis.
    Wenn Glück und Glas bricht und nicht brechen, dann brauchen auch die von Drafi Deutscher besungenen Baustoffe nicht mehrzählig zu brechen; ein einzähliges »bricht« genügt. Außerdem handelt es sich um Poesie. Die darf so etwas. Sonst wäre ja der schöne Reim verloren: »Aber unsere Liebe nicht«. Hätte Drafi Deutscher etwa singen sollen: »Marmor, Stein und Eisen brechen, aber unsere Liebe nechen«? Na also. Nun ist er tot, der große Drafi Deutscher. Dam dam, dam dam.

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    Ein Hoch dem Erdapfel
    Man kennt sie als Herzogin, im Stanniol-Mantel, als grobe Country-Version, als Pomme Macaire, Gratin, Puffer, Kroketten oder als Pommes frites – die Kartoffel ist äußerst vielseitig. Deshalb trägt sie auch viele verschiedene Namen. Eine Geschichte über die Geschichte der erstaunlichsten Frucht der Welt.
    Zur Feier des vorzeitigen Endes seiner Salat-Diät schleift Henry mich in ein neues Restaurant, das von seinem Gourmet-Führer mit mehreren Sternen und Euro-Symbolen ausgezeichnet worden ist. Die Karte verheißt erlesene Spezialitäten wie »Medaillons von der Kalbslende mit Bries auf Morchelsauce« und »souffliertes Steinbuttfilet an Trüffel-Kaviarschaum«. »Ich nehme das Putengeschnetzelte«, sage ich zum Ober und füge hinzu: »Wäre es möglich, statt Basmatireis Kartoffeln zu bekommen?« Der Ober zieht die Augenbrauen hoch, als hätte ich ihn gebeten, mir das Essen in einem Hundenapf zu servieren, und sagt: »Ich werde in der Küche mal nachfragen.«
    »Du und die Kartoffel – eine lebenslängliche Liebesgeschichte«, feixt Henry, »ich bin immer wieder aufs Neue gerührt!« – »Mach dich nur über mich lustig! Kartoffeln sind eine Köstlichkeit! Aus einem mir unverständlichen Grunde sind sie in Verruf geraten, jedenfalls findet man sie auf den Speisekarten der Restaurants immer seltener. Pasta und Reis gibt es in allen erdenklichen Variationen, aber Kartoffeln sind eine echte Rarität geworden.« – »Sie gelten eben als typisch deutsch«, meint Henry. »Bei Kartoffeln denken viele an die sogenannte bürgerliche Küche, an Kohlrouladen, Saubohnen und dicke Mehlsoße. Das will heute keiner mehr.« – »Mmh, Kohlrouladen«, seufze ich, »bei dem Gedanken läuft mir das Wasser im Munde zusammen!«
    »Soll ich den Ober zurückrufen? Du kannst ihn ja fragen, ob du anstelle der frischen Salatvariation nicht ein paar Kohlblätter bekommen könntest ...« Darauf gehe ich nicht weiter ein und frage Henry stattdessen, ob ihm bekannt ist, woher das Wort ›Kartoffel‹ stammt. Henry schüttelt den Kopf: »Über die Herkunft des Wortes habe ich mir nie Gedanken gemacht. Ich weiß nur, dass die Kartoffel ursprünglich aus Südamerika kommt und unter Friedrich dem Großen in Deutschland eingeführt wurde.«
     
    Die Kartoffel, eine Verwandte der Tomate und des Paprikas, stammt aus den Anden. Dort wurde sie von den Inkas kultiviert, die sie Papa nannten. Spanische

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