Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5
Regierung droht in der Gunst der Wähler zu sinken.
Hier lässt sich auch kein rückbezügliches »damit« einfügen. So wäre es jedenfalls nicht sinnvoll:
Der Gesetzentwurf droht damit, am Widerstand der Opposition zu scheitern.
Die Regierung droht damit, in der Gunst der Wähler zu sinken.
Dieses dritte »drohen« war zweifellos gemeint, als über den Uno-Gipfel in Durban geschrieben wurde: »Klimakonferenz droht, im Chaos zu versinken«. Denn die Konferenz drohte nicht irgendjemandem mit irgendetwas, sondern wurde ihrerseits bedroht, und zwar vom Chaos, genauer gesagt dem Darin-Versinken. Folglich war das Komma hinter »droht« überflüssig. Einigen Lesern drohte daraufhin bestimmt der Kragen zu platzen, und ich kann mir vorstellen, dass das E-Mail-Postfach der Redaktion überzulaufen drohte. In einer korrigierten Fassung konnte man wenig später dann lesen: »Klimakonferenz droht im Chaos zu versinken«.
Dieses dritte »drohen« hat nicht nur eine andere Bedeutung, sondern auch eine andere grammatische Funktion: Es nimmt die Rolle eines Hilfsverbs ein. Weil es aber hauptberuflich ein Vollverb ist und die Rolle als Hilfsverb nur nebenbei übernimmt, spricht man hier von einem »unechten Hilfsverb«. Es gibt mehrere solcher unechten Hilfsverben, zum Beispiel »pflegen«, »scheinen« und »versprechen«:
Er pflegte seinen Tee mit Milch zu trinken.
Die Veranstaltung schien gut besucht zu sein.
Der Artikel versprach ein Knüller zu werden. (Aber: Der Redakteur versprach, einen Knüller zu schreiben.)
Auch in diesen Fällen steht kein Komma, da die Infinitivgruppen (Tee zu trinken, gut besucht zu sein, ein Knüller zu werden) unmittelbar vom Verb abhängig sind und nicht den Wert eines Satzes haben. Wem das zu abstrakt erscheint, für den ließe sich das Droh-Verhalten auf eine Bauernregel bringen:
Mehr & mehr
Ein guter Rat aus alten Zeiten lautet: Fang nicht zu viel auf einmal an, versuche lieber, in einer Sache wirklich gut zu sein. Dies scheint in der Geschäftswelt von heute niemanden mehr zu interessieren. Warum etwas Gutes bieten, wenn man immer noch mehr bieten kann? Egal, womit man handelt: Das gewisse Mehr darf dabei nicht fehlen!
Eines Sonntagnachmittags durfte ich auf Felix, den Sohn meiner Freundin Alexandra, aufpassen. Felix war gerade neun Jahre alt geworden und lernte begeistert seine ersten englischen Wörter. Seine Mutter hatte uns eine Disney-DVD bereitgelegt, und so machten wir es uns auf dem Sofa gemütlich. Bevor der Film startete, erschien zunächst das Logo, begleitet von einer Feenstaub versprühenden Elfe und einem dreiteiligen Motto. »Muuwies, Mädschick …«, las Felix, und da er nicht weiterkam, ergänzte ich: »and more«. Woraufhin er wissen wollte: »Was ist moar ?« – »Das ist Englisch und heißt mehr !«, erklärte ich. » Filme, Magie und mehr wird uns hier versprochen. Was aber nicht heißen soll, dass der DVD noch ein Extra beiliegen würde wie zum Beispiel eine Tafel Schokolade.«
Während des Films saß Felix wie gebannt vor dem Bildschirm, auch ich selbst war gefesselt, Walt Disneys Magie wirkte auf uns beide gleichermaßen. Es bedurfte keines »and more«, um diesen Sonntagnachmittag noch verzauberter werden zu lassen.
In der geschäftigen Welt des Handels und der Dienstleistungen hingegen scheint heute niemand auf den Zusatz »und mehr« verzichten zu wollen. Seit in den neunziger Jahren das Vielfliegerprogramm »Miles & More« vom Boden abhob, fand die Masche Tausende Nachahmer. Modeboutiquen beschränken sich nicht mehr nur auf Mode, sondern verkaufen »Mode und mehr«. Friseure waschen und schneiden »Haare und mehr«, und emsige Kosmetikerinnen lackieren »Nägel und mehr«, manche sogar auf Englisch: »Nails and More«.
Reiseveranstalter locken mit »Afrika und mehr«, wobei die meisten Reisewilligen ja schon mit Afrika oder weniger zufrieden wären. Eine Fachmesse in Nordrhein-Westfalen nennt sich »Wäsche und mehr« und erweckt mit dem »und mehr« bei einigen Besuchern möglicherweise falsche erotische Erwartungen. Ein medizinisches Internetforum hat die Adresse www.schilddruese-und-mehr.de. Des Weiteren gibt es einen Reinigungsdienst, der sich »Putzen und mehr« nennt, einen Partyservice namens »Essen und mehr« und eine Imbissbude, die »Pommes & mehr« heißt. Ein bisschen »mehr« muss heute sein! Ohne »mehr« am Leibe steht man als Geschäftsinhaber geradezu nackt da.
Was aber ist das Plus beim »und mehr«? Worin besteht der tatsächliche
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